■ Das Porträt: Rut Brandt
Foto: J.H. Darchinger
„Freundesland“ hat Rut Brandt ihr Buch genannt, in dem sie ihre Erinnerungen niedergeschrieben hat. Daß sie hier viele gute Freunde hat, tröstet sie hoffentlich darüber hinweg, daß sie zum Staatsakt für ihren geschiedenen Ehemann Willy Brandt nicht eingeladen wird — auf Wunsch der Witwe Brigitte Seebacher-Brandt. Das hat die Frau, die Willy Brandt über schwierige 33 Jahre hinweg begleitet hat, nicht verdient.
Rut Hansen, das „Arbeitermädchen“ aus dem norwegischen Hamar, kommt schon mit 15 zur Arbeiterbewegung. Die Mutter, eine Sozialistin und Christin, nimmt sie zu einem Treffen der Arbeiterjugend mit. Hier lernt sie die Freunde kennen, mit denen sie nach dem Einmarsch der deutschen Truppen in Norwegen eine illegale Zeitung herstellt. Mit dabei ist auch ihre Schwester Tulla. Doch die Gestapo kommt der Gruppe auf die Spur. Nach einem Verhör gelingt es ihr 1942, mit der Schwester nach Schweden zu fliehen. In Stockholm arbeitet Rut Hansen für das norwegische Pressebüro. Im Exil begegnet sie 1944 dem Flüchtling und Journalisten Willy Brandt. Beide sind verheiratet, die Probleme scheinen unüberwindlich, aber sie bleiben zusammen. Sie geht mit ihm nach Berlin, erlebt dort die Blockade und den Bau der Mauer. Sie wird trotz der Warnung von Freunden „eine deutsche Hausfrau“, wie sie mit einem Schuß Selbstironie schreibt.
An der Seite des Politikers Brandt lernt sie, mit der Öffentlichkeit umzugehen. Daß ihr das nicht ganz leicht gefallen ist, hat man ihr nie angemerkt. Sie bewahrt sich dennoch eine unkonventionelle Haltung, sie trägt weder Hüte, wie das bei ihrer Position erwartet wurde, noch einen Ehering. Und doch hält sie sich — aus Rücksicht auf ihre Position — politisch zurück. In die Abtreibungsdebatte der 70er Jahre mischt sie sich nicht ein, was sie rückblickend bedauert. „Da hätte ich mehr Mut zeigen müssen“, sagte sie kürzlich in einem Emma-Interview. „Heute würde ich bei einer Demonstration für das Recht auf Abtreibung sofort mitmachen.“
Stärke zeigt sie, als Willy Brandt ihr 1980 vorschlägt, sich zu trennen und entweder unter einem Dach zu bleiben oder in zwei Wohnungen zu ziehen. Konsequent entschließt sie sich für die Scheidung. Der Tag der Scheidung sollte ihre letzte Begegnung mit Willy Brandt bleiben. Dorothee Winden
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