■ Das Porträt: Benazir Bhutto
„Islam ist unser Glaube, die Demokratie ist unser politisches, Sozialismus unser ökonomisches Ziel, und alle Macht dem Volke.“ So definierte Benazir Bhutto vor acht Jahren im taz-Interview ihre Politik für Pakistan. Damals war sie lediglich die Tochter ihres Vaters Zulfikar Ali, des früheren Präsidenten, der 1971 unter dem Jubel des Volkes eine lange Militärherrschaft beendet hatte und 1977, wiederum unter dem Jubel des Volkes, einem Militärputsch zum Opfer gefallen war. Der Kampf gegen das Militär wurde zum politischen Inhalt der Tochter Benazir, die sich im Schatten ihres hingerichteten Vaters, in den Knästen der Diktatur und in den Jahren des englischen Exils zu einer Pasionaria Pakistans heranwachsen sah.
Als Bhutto 1986 unter dem Jubel des Volkes nach Pakistan zurückkehrte, waren die Tage des Militärregimes gezählt. 1988 gewann sie mit ihrer Familienpartei Pakistan People's Party (PPP) die Wahlen und wurde Premierministerin. Aber von Islam, Demokratie, Sozialismus „und alle Macht dem Volke“ war wenig zu spüren. Für die Welt war Benazir Bhutto kraft ihres Geschlechtes ein Fortschrittsbeweis. Aber für Pakistan blieb sie die Tochter ihres Vaters. Wie einst Zulfikar Ali Bhutto verkörperte sie die Interessen des alteingesessenen Bhutto-Klans aus der Provinz Sind. Ein Freiheitssymbol war sie lediglich in ihren eigenen Augen. Und als sie 1990 ihr Amt verlor, meinte sie, wie ihr Vater einem Putsch zum Opfer gefallen zu sein. Aber es war kein Militärputsch. Die Premierministerin wurde von Präsident Ishaq Khan wegen Korruption entlassen, unter dem Jubel des Volkes. Bei den Wahlen im November 1990 erlitt die PPP eine herbe Niederlage.
Seitdem predigt Benazir Bhutto den Aufstand. Sie sieht sich im Widerstand gegen ein repressives Regime, das mit „den Mullahs“ paktiere und sie, die Volksheldin, töten wolle. Am 14. August rief sie zum „Langen Marsch“ auf die Hauptstadt auf – er endete diese Woche in einer Verhaftungswelle. Benazir Bhutto wurde aus der Hauptstadt verbannt und sprach von „Staatsterrorismus“. „Es ist das Volk, das rebelliert“, sagt sie – und meint sich selbst. Reicht ihre Gewißheit, die Interessen des Volkes seien mit ihren eigenen identisch, um sie zum zweiten Mal an die Spitze des Staates zu tragen? Dominic Johnson
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