: Das Leben nach der Kandidatur
Siegfried Scheffler macht Urlaub. Werner Schulz schreibt ein Buch. Nur für Eberhard Diepgen ändert sich gar nichts – auch wenn er wie die anderen Berliner den Einzug in den Bundestag verpasst hat
VON DAVID DENK
Siegfried Scheffler macht es richtig. Er sei für die nächsten 14 Tage im Urlaub, heißt es aus seinem Büro. „Herr Scheffler braucht ein bisschen Erholung“, fügt seine Sekretärin mütterlich hinzu. Siegfried W. Scheffler ist SPD-Bundestagsabgeordneter – noch. Bald wird er nämlich sein Büro räumen müssen, wann genau entscheiden die Fraktionen.
Spätestens bis zur konstituierenden Sitzung wird Scheffler wohl seine Schlüssel abgeben müssen, denn bei der Wahl zum 16. Deutschen Bundestag hat er sein Direktmandat in Treptow-Köpenick verloren – gegen Gregor Gysi. Keine Schande, zumal gegen diesen populären Gegner, aber dennoch ein gravierender biografischer Einschnitt für einen Berufspolitiker. 15 Jahre saß Scheffler im Bundestag. „Bei aller Freude darüber, dass die Koalition aus CDU/CSU und FDP verhindert werden konnte, so überwiegt bei mir im Moment die Enttäuschung darüber, dass ich meinen Bezirk im neuen Bundestag nicht mehr vertreten werde“, schreibt er auf seiner Website.
Auch Werner Schulz (Grüne), wie Scheffler seit 1990 im Bundestag, liegt seine Niederlage in Pankow zwei Wochen nach dem Wahltag noch schwer im Bauch. „So schnell laufen Verdauungsprozesse in der Politik nicht“, sagt er und geht direkt in den Angriff über: „Aber ich nehme meine Niederlage an, nicht wie der Bundeskanzler, der in aller Öffentlichkeit seinen Realitätsverlust deutlich macht.“ Schulz sieht sich selbst als „im Kampf erlegen“. Als Ex-DDR-Bürgerrechtler, der nach der Wende in die Politik ging, habe er allerdings „Nehmerqualitäten“ entwickelt.
Die hat er in letzter Zeit auch gut gebrauchen können, zum Beispiel als er die Neuwahlen verhindern wollte – und vorm Bundesverfassungsgericht scheiterte. Genau diese Neuwahlen kosteten ihn sein Mandat – Ironie des Schicksals. Dass Quereinsteiger wie er im neuen Bundestag kaum noch vertreten sind, die politische Elite im eigenen Saft schwimme, nennt Schulz einen „Verlust für die Lebendigkeit der parlamentarischen Demokratie“.
Wird er weiter Politik machen? Das werde er sich in den nächsten Wochen und Monaten reiflich überlegen, sagt Schulz. „Mit 55 gehöre ich noch nicht zum alten Eisen und habe noch keine Roststellen angesetzt.“ Im Klartext: „Ich habe meinen politischen Elan nicht verloren.“ Auf jeden Fall wird Schulz erst mal ein Buch schreiben. „Eine Autobiografie wäre mir aber zu wenig“, stellt er klar. „Ich will nicht nur in Erinnerungen schwelgen, sondern einerseits die Parteigeschichte rekapitulieren und andererseits an der programmatischen Fortschreibung und strategischen Neuausrichtung mitwirken.“
Günter Nooke (CDU) ist gegen den gleichen Gegner unterlegen wie Werner Schulz: Noch-Bundestagspräsident Wolfgang Thierse. Nooke, Ex-Bürgerrechtler wie Schulz und Thierse sowie Ex-Fraktionsvize, wurde 1998 und 2002 über die Landesliste in den Bundestag gewählt, auf der er diesmal nicht mehr stand: „Dass ich nicht mehr im Bundestag bin, hat sich für mich nicht erst am Wahlabend entschieden.“ Viel mehr möchte er dazu aber eigentlich auch nicht sagen, zu seiner politischen Zukunft nur so viel: „Ich werde mir bis Weihnachten Zeit nehmen, um ein paar Optionen zu prüfen.“ Zu den Gerüchten über einen eventuellen Einstieg in die Berliner Landespolitik, die auch Werner Schulz angedichtet werden, schweigt Nooke, der wegen seiner eigensinnigen Art als unbeliebt in der Berliner CDU gilt.
Sein Parteifreund Eberhard Diepgen, CDU-Direktkandidat in Neukölln, ist mit 63 alt genug, um sich solche Gedanken nicht mehr machen zu müssen. „Bei mir hat sich nichts geändert“, sagt er nach seiner Niederlage. Diepgen, von 1984 bis 1989 und 1991 bis 2001 Regierender Bürgermeister, arbeitet weiter als Rechtsanwalt in der Kanzlei Thümmel, Schütze & Partner, als wäre nichts geschehen. Und trotzdem kann er es nicht lassen, in den Chor der Erniedrigten und Beleidigten einzustimmen, die in seiner Partei offenbar gerade den Ton angeben: „Gegen den Gesamttrend und eine Reihe kommunikativer Probleme in der Umsetzung des Bundesprogramms in Berlin und Brandenburg“ habe selbst er nicht erfolgreich ankämpfen können.