■ Das Groß-Jerusalem-Projekt soll jüdische Mehrheit sichern: Bewährte Methode
Es gibt viele, die sich jetzt die Hände reiben dürften: Baufirmen, Immobilienspekulanten, Siedlerorganisationen, eine undurchsichtige Clique von Politikern und anhängenden Seilschaften, einige Planungsmacher und nicht zuletzt die Gegner des Friedensprozesses. Das neue Groß-Jerusalem-Projekt der israelischen Regierung verspricht ihnen allen Profite und politische Genugtuung. Die Zeche zahlen die Israelis in den Vorstädten und ländlichen Gemeinden um Jerusalem und die Palästinenser in Jerusalem. Die Methode ist so alt wie der Zionismus. Tatsachen schaffen, die – vermeintlich oder tatsächlich – nicht mehr rückgängig zu machen sind.
Das Großraumprojekt Jerusalem hat vor allem das strategische Ziel, die jüdische Mehrheit in Jerusalem auf Jahrzehnte abzusichern und den Palästinensern die Aussichtslosigkeit ihres Anspruchs auf Ost-Jerusalem vor Augen zu führen. In Ost-Jerusalem selbst werden die Palästinenser in ghettoartige Stadtviertel eingezwängt, umringt und eingeengt von Siedlungen und Umgehungsstraßen. Häuser werden ihnen von Siedlern entrissen, nicht selten aufgrund dubioser Kaufverträge. Die einzige Möglichkeit eines „natürlichen Wachstums“ ist für die Palästinenser das Verlassen der Stadt, der Auszug in die Autonomiegebiete. Schon heute leben Tausende Palästinenser, die noch über einen Jerusalem-Ausweis verfügen, im Westjordanland. Wird das den israelischen Behörden bekannt, werden die Ausweise konfisziert.
Auch wenn die israelische Statistik von einem viermal schnelleren Wachstum der palästinensischen Bevölkerung in Jerusalem fragwürdig ist, muß sie gleichwohl als offizielles Argument herhalten, um den Einschnürungsprozeß zu rechtfertigen. Ministerpräsident Netanjahu selbst sprach von der Notwendigkeit, die „jüdische Mehrheit in der Stadt zu stärken“. Das bedeutet nichts anderes als gezielte demographische Majorisierung, mit politischen und planerischen Mitteln. Netanjahu scheint die rassistische oder zumindest inhumane Komponente einer solchen Argumentation nicht einmal mehr wahrzunehmen. Eine nationale oder ethnische Bevölkerungsgruppe wird aufgrund ihrer Ethnizität oder Nationalität diskriminiert. Dies ist die einzig logische Schlußfolgerung aus dem Plan selbst wie aus der politischen Begründung, die von höchster Stelle gegeben wurde. Noch bevor die laut Friedensprozeß vorgesehenen Verhandlungen über Jerusalem überhaupt begonnen haben, wird ihnen quasi der materielle Gegenstand entzogen. Georg Baltissen
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