■ Das Gesetz gegen Scheinselbständigkeit muß verändert werden: Die Verhältnisse sind nicht mehr so
„Wenn du nicht mehr weiterweißt, dann gründe einen Arbeitskreis“ – so lautet ein alter Spruch der Sozialbürokratie. Das moderne Wort für Arbeitskreis ist „Kommission“, und weil die rot-grüne Koalition in Sachen „Scheinselbständigkeit“ nicht mehr weiterweiß, hat sie jetzt vorsichtshalber eine solche gegründet, die das Gesetz zur Bekämpfung der Scheinselbständigkeit auf seine „Praxistauglichkeit“ überprüfen soll. Wohlgemerkt: ein Gesetz, vor dessen Verabschiedung schon die eine oder andere Kommission getagt hat. Und ein Gesetz, vor dessen Erlaß die Situation junger arbeitnehmerähnlicher Selbständiger etwa im Hightech-Bereich bekannt war.
Die Einrichtung der neuen Kommission ist Ausdruck der rot-grünen Ratlosigkeit. Die Koalition hat wie schon bei den 630-Mark-Jobs das Beste gewollt – und am Ende ist nichts Gutes dabei herausgekommen. Und das ist noch nicht mal die Schuld von Rot-Grün: Auch wenn sich die CDU-Opposition jetzt noch so genüßlich zurücklehnt und auf die „Flickschusterei“ der Schröder-Regierung hinweist – eine christdemokratische Regierung hätte keine bessere Lösung gehabt.
Mit dem Gesetz sollen die „Scheinselbständigen“ in die Sozialversicherung gezwungen werden. Damit wolle man die Auftraggeber treffen, versprach Rot-Grün, die Fuhrunternehmen etwa, die ihre Ausfahrer entlassen und dann als „Selbständige“ wieder beschäftigen. Aber die gute Absicht funktioniert nicht, denn die Verhältnisse haben sich längst gewandelt. Das Gesetz ist aus der guten Absicht der 80er Jahre entstanden, die Flucht aus den Solidarkassen zu stoppen. Aber implantiert wird es in den späten 90ern, wo sich längst Tausende von Werkvertrag zu Werkvertrag hangeln und Mittelständler und Kultureinrichtungen nur dann neue Arbeit schaffen können, wenn diese möglichst billig ist.
Das Gesetz kommt zu spät. Da hilft es wenig, wenn der grüne Fraktionsvorsitzende Rezzo Schlauch jetzt vorschlägt, Anwälte von der Neuregelung auszunehmen, so als müßten die akademischen freien Berufe Vorrechte genießen gegenüber Speditionsfahrern und Schlachthofarbeitern. Die Regelung muß anderweitig korrigiert werden – vielleicht durch eine Mindestvorgabe, nach der die arbeitnehmerähnlichen Selbständigen nur nachweisen müßten, daß sie irgendeine Form der Altersvorsorge betreiben. Der Verdacht, sie fielen später der Sozialhilfe zur Last, würde dadurch zumindest teilweise ausgeräumt. Barbara Dribbusch
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