■ Urdrüs wahre Kolumne: Das Gelbe vom Rotzjungen
Urdrüs wahre Kolumne
Das Gelbe vom Rotzjungen
Wenn morgen der Sitz der Konrad Adenauer-Stiftung in der Martinistraße 25 immer noch steht, so beweist das einmal mehr die nahezu sträfliche Milde, die der Herr Zebaoth gegenüber denen übt, die SEINEN Namen mißbräuchlich im Schilde führen: Der nationale Gurkenkönig Peter Hahne mit dem sanft-verschlagenen Blick des Fernkurs-Theologen schleuderte dort gestern Felsbrocken aus seinem Glashaus und referierte zum Thema „Wie politisch darf Kirche sein?“ Der Wanderprediger mit dem televisionären Scheinheiligenschein ist noch in denkbar schlechter Erinnerung von einem Frühstückstreffen der Geschäftsleute des vollen Evangeliums im Hotel zur Post, wo er in Sachen Biedersinn den Brechreiz-Quotienten jedes wiedergeborenen Fernsehstars aus Ami- Land deutlich übertraf.
Da sage doch keiner, die SPD habe mit der Zustimmung zum Asylkompromiß der internationalen Solidarität abgeschworen! In der Bonner Baracke wird eine Woche lang nur indisches Essen serviert-als Beitrag der Partei gegen Ausländerfeindlichkeit. Wenn die eingespeichelten Reisreste dann noch ans Sterbebett von Mutter Teresa geschickt und an die Armen von Kalkutta verteilt werden, wird auch am Ganges das Hohelied vom weichen Wasser gesungen werden, das den Stein besiegt. Guten Appetit, Genossen — und zum Nachtisch Eierchen vom Stör. Für die lieben Wolgadeutschen!
Das Spucken auf Bahnsteigen wurde früher noch durch entsprechende Emailleschilder ausdrücklich untersagt, die dann wegen rezessiver Entwicklung bei den Rotzern überflüssig wurden. Inzwischen aber wird es Zeit, diese Verbotsplaketten allüberall mit schlimmsten Strafandrohungen versehen zu reaktivieren. Ein jugendliches Lama im gepflegten Outfit des Sparkassen-Azubi holte gestern neben einem bratwurstessenden Mitbürger auf dem Domshof einen gelbgrünen Schleimpfropfen röchelnd aus der Magengrube hoch, um ihn schwungvoll auf dem Pflaster zu deponieren. Der Mitbürger sah sich daraufhin veranlaßt, dem Rotzjungen die senfverschmierte Wurstpappe in die Hand zu drücken mit der Bitte „halt mal eben!“ Er hielt!
Der Große Vorsitzende Hartmut Voigt vom Bremer Philologenverband überrascht seine treuen Fans wieder mit einer Streitschrift zu Fragen der Schulpolitik, die für ernsthafte Stilblütensammler und Sinnforscher immer sehr ergiebig ist. Die Neuerscheinung „Sozialistische Mottenkiste“ ist einmal mehr ein Kleinod humanistischer Stammtischpöbelei: Hier rülpst das Gymnasium in den besten Traditionen des Professors Galetti. Bitte besorgen Sie sich das Pamphlet, lesen Sie es Ihren Kindern laut und mit Betonung vor — und nie mehr wird Ihre Nachkommenschaft Respekt vor der Intellektualität hiesiger Philologen haben. (Fotokopie gegen Freiumschlag bei der Redaktion). Ulrich Reineking-Drügemöller
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 50.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen