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StandbildDas Ganze ist Wahre Einfalt

■ "Gott und Natur"

S T A N D B I L D

Das Ganze ist Wahre Einfalt

(„Gott und Natur“, Mittwoch, ZDF, 22.10 Uhr) Hand aufs Herz: Hätten Sie's gewußt? Was definierte Thomas von Aquino als Liebe? Na? Macht nichts. Der nackte Mann in der Großraumbadewanne beantwortete seine Frage gleich selbst, zwangsläufig. Das wäre nämlich in Vergessenheit geraten und deshalb liege alles im Argen. Zum Dank für diese Botschaft mußte der nackte Reporter ein Liedchen singen. (Hatten die Herren vielleicht doch Badenhosen an?)

Oder ist es die buddhistische Mythologie, die uns erretten kann? Davon ist ein anderer Herr überzeugt, der junge, sympathische Gehirnforscher.

Und der katholische Theologe hat's natürlich mit dem Heiligen Geist. Den hat übrigens die Kirche nicht gepachtet, der sprudelt überall hervor. Auch - nein, gerade - dort, wo er nicht vermutet wird.

Sie alle und noch viele mehr waren nach Hannover gekommen, das vom 21. bis 27. Mai nicht nur die rege Metropole Niedersachsens war, sondern auch die Hauptstadt des Weltgeistes - falls es ihn gibt.

Einer jedenfalls schien ihn zu empfinden, und Hegel hätte sich gefreut: Religiöse Erfahrung, philosophisches Denken und naturwissenschaftliche Erkenntnis bewegten sich - auf der Suche nach der verlorenen Einheit - wieder aufeinander zu. Dies brachte der Gastgeber des Kongresses ein, Ministerpräsident Albrecht (sic!), und demonstrierte damit zugleich, daß Geist und Macht sich auch prima ergänzen können. Es kommt eben nur auf die richtigen Männer an!

Klar, daß uns das öffentlich-rechtliche Fernsehen dieses Ereignis nicht vorenthalten durfte und wollte, uns, die wir nicht zu den 60 erlauchten „Gelehrten und Weisen“ gehören, die auf Staatsknete angereist waren, und auch nicht zu denen, die die horrenden Teilnehmergebühren aufbringen konnten. Pardon.

TeilnehmerInnengebühren! Die Fernsehkameras des ZDFs brachten es schonungslos an den Tag: Frauen denken auch. Zumindest können sie Fragen stellen. Fragen beantworten können aber immer noch die Männer besser! Hätte man sonst nicht auch eine Frau nach ihrer Meinung befragt?!

Die Verwirrung war so auch schon groß genug. Werdet endlich vernünftig, sagen die einen, die unverbesserlichen Rationalisten. Nein, die Vernunft hat uns zu Grunde gerichtet, sagen die anderen, die Propheten des „New Age“ und die postmodernen Nörgler. Zum Glück gibt's das Fernsehen. Durch es sind wir nun klüger als jede/r einzelne KongreßteilnehmerIn, die/der nur die eine oder andere Veranstaltung mitkriegen konnte. Uns wurde das ganze geistige Panorama geboten.

Die Message: keine Sorgen, Leute, der Pluralismus bringt's. Und den haben wir.

Meine Meinung: Der Klügste von allen ist unser Atomphysiker Hans-Peter Dürr. Das Problem liegt in der Einfalt. Langfristig ist die Vielfalt zwar der Einfalt überlegen, aber die Einfalt hat derzeit die Macht, dummerweise. Daß unsere Wirtschaft zum Beispiel einzig auf Profit aus ist oder die Militärs nur das Eine im Kopf haben, ist nicht gut. Darum sucht Hans-Peter ständig den Dialog mit den Herren des industriell-militärischen Komplexes. Früher oder später müssen sie sich einfach seinen Argumenten beugen!Lehmo

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