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Archiv-Artikel

Das Distanzding

BASKETBALL II Dreierschützen haben es in dieser Saison schwerer denn je. Sie müssen aus 6,75 Meter Entfernung auf den Korb werfen. Wie gehen sie mit diesem zusätzlichen halben Meter um?

Laut wird es in den Basketballhallen immer dann, wenn ein Dreier durch die Reuse flutscht. Doch in dieser Saison wurde nicht so viel wie sonst gejubelt. Denn die Schützen haben es schwerer. Jetzt müssen sie aus 6,75 Metern werfen, in der Vorsaison waren es noch 6,25 Meter. Damit hat sich Europa der NBA angenähert, wo sich die Dreierlinie bei 7,25 Metern befindet. Die Mittellösung ist nicht ganz unumstritten. „Man hätte gleich auf 7,25 Meter gehen sollen, wenn der Gedanke die Angleichung an die NBA ist“, sagt Dreierspezialist Robert Kulawick von der BG Göttingen.

Aber gleich einen ganzen Meter weiter, das war dem Weltverband Fiba dann doch zu viel. Widerspruch gegen die Neuregelung blieb aus. „Echauffiert hat sich bisher noch niemand“, berichtet BBL-Sprecher Dirk Kaiser. Also haben die meisten Spieler versucht, diesen halben Meter einfach zu ignorieren. Berlins Dreierspezialist Lucca Staiger glaubt ohnehin, dass es mehr eine Kopfsache ist. Trotzdem versucht er jetzt, mit mehr Schwung aus den Beinen zu werfen. „Wie schnell man sich daran gewöhnt, ist von Spieler zu Spieler unterschiedlich“, sagt Alexander Seggelke von den Artland Dragons. Im Gegensatz zu Staiger hat er seine Technik nicht umgestellt. „Man muss einfach einen halben Meter weiter werfen“, sagt er.

Auch für die meisten US-Amerikaner war die Umstellung kein Problem. „Im Spiel geht ohnehin alles so schnell. Da kommt man gar nicht dazu, darüber nachzudenken“, sagt Albas Julius Jenkins. Während also einige, wie Jenkins, ihre Wurfquote konstant hoch halten konnten, ist sie in den ersten Monaten der neuen Saison aber insgesamt gesunken. Fast alle Teams haben sich verschlechtert. Lag die durschnittliche Erfolgsquote nach Ablauf der vergangenen Saison bei 34,5 Prozent, so liegt sie jetzt bei 32,56 Prozent, wobei bemerkenswert ist, dass gleich fünf Teams unter die 30-Prozent-Marke gerutscht sind – das gab es noch nie.

„Die guten Distanzwerfer werden auch jetzt weniger Probleme haben“, glaubt indes Frankfurts Pascal Roller. Bestes Beispiel ist die Zweite Spanische Liga, in der die neue Distanz in der gesamten vergangenen Saison gestestet wurde. Nach anfänglichen Anpassungsproblemen hatte sich die Wurfquote bis Dezember wieder ungefähr dem Level der Vorjahre angepasst. Auffällig bleibt aber, dass Dreierschützen, die aus der Ecke werfen, häufiger mit einem Fuß die Seitenlinie berühren. „Es ist einem schon bewusst, dass dort jetzt weniger Platz ist“, sagt Roller.

Nur noch 90 Zentimeter liegen zwischen der Dreierlinie und dem Seitenaus. Jenkins sieht das locker: „Da muss man einfach aufpassen. Das ist ein Lernprozess.“ Neben den Distanzschützen muss sich auch die Defensive umstellen. Es gilt jetzt, eine größere Zone abzudecken. Die ist jetzt ja nicht mehr rechteckig, sondern hat Trapezform. „Da wird es schwieriger, schnell zu Hilfe zu kommen“, sagt Kaiser. Basketballguru Svetislav Pesic, seit Kurzem Trainer in Valencia, sieht das auch so: „Wo ein Spieler früher einen Meter verteidigen musste, sind es nun zwei Meter.“

Die wirklich Leidtragenden sind ohnehin nicht die Basketballprofis, sondern die Junioren und die Frauen. Im Juniorenbereich ist eine größere Distanz kontraproduktiv, da die Würfe mehr Kraftaufwand erfordern und somit die Feinmotorik leiden würde. „Gerade in einer Phase, in der es darauf ankommt, die Technik zu erlernen, ist das heikel“, erklärt BBL-Sprecher Kaiser. Die Frauen, bei denen 3-Punkt-Würfe eh seltener zu beobachten sind, werden es noch schwerer haben. „Wir stehen ohnmächtig gegenüber dem Verband da“, erklärt Achim Barbknecht, Geschäftsführer der Damen-BBL. Die Fiba denkt darüber nach, die Körbe bei den Korbjägerinnen niedriger zu hängen.

NICOLAS SOWA