piwik no script img

Das Ding, das kommtRichtig reflektiert

Wer in der Schule aufgepasst hat, kommt mit trockenen Hosen nach Hause – außer der Nebenmann weiß es auch: Ist die reflektierende Fläche glatt, ist der Einfallswinkel laut Reflexionsgesetz gleich dem Ausfallswinkel. Ergo: Wird ein bisschen schräg wildgepinkelt, landet der von der Häuserwand zurückgeworfene Urinstrahl sicher neben den Plateauschuhen auf dem Kiez-Boden.

Um auf die Probleme mit Wildpinklern beim Hamburger „Schlagermove“ hinzuweisen, hatten die „Interessengemeinschaft St. Pauli“ und der Business Improvement District „BID Reeperbahn+“ im vergangenen Jahr die Aktion „St. Pauli pinkelt zurück“ initiiert. Keine Anwohneraktion, sondern eine Idee der Werbeagentur Publicis Pixelpark: An fünf Wänden wurde wasserabweisender Lack aufgepinselt und Schilder angebracht: „Hier nicht pinkeln! Wir pinkeln zurück. Dein St. Pauli“. Kostenpunkt: rund 500 Euro für sechs Quadratmeter.

Die Resonanz auf die Aktion und die dafür gedrehten Promo-Videoclips im Internet hat auch die Initiatoren überrascht. Prompt kamen Anfragen vom Karneval in Köln und Bonn, vom Münchner Oktoberfest und vom Ballermann auf Mallorca. Auch San Francisco ist auf den Zug aufgesprungen. Die US-Firma Energy Group, die den Speziallack „Ultra-Ever Dry“ vertreibt, kam mit der Produktion gar nicht mehr hinterher.

Julia Staron, Quartiermanagerin des BID Reeperbahn, zieht deshalb ein positives Zwischenfazit: Nicht nur werde das Problem nun öffentlich diskutiert, auch die Geruchsbelästigung sei tatsächlich spürbar zurückgegangen.

Kritik gab es hingegen von der Stadtteilinitiative Gemeinwesenarbeit St. Pauli: Nicht mehr als ein PR-Coup sei die Aktion und packe das Problem am falschen Ende an. Ursprung des Übels seien alle diese exzessiven Großveranstaltungen, die auch vom BID selbst organisiert würden. Der „Schlagermove“ müsse abgeschafft oder verlegt werden. Und sinnvoller als Antipinkel-Lack seien ohnehin öffentliche Toiletten.

Zumindest haben die Initiatoren der Veranstaltung, von der viele so angepisst sind, das Ganze nun reflektiert. Dieses Jahr positioniert sich auch der Schlagermove „klar gegen das Wildpinkeln im gesamten Stadtteil“. 400 WCs stehen entlang der Paradenstrecke bereit. Macht bei erwarteten 500.000 Schlagerfans immerhin ein Klo pro 1.250 Pinkler. Da muss man sich nicht mal an die Schul-Wahrscheinlichkeitsrechnung erinnern, um sicher zu sein: Da geht einiges in die Hose. MATT

„20 Jahre Schlagermove Hamburg“: Parade ab 14 Uhr, Heiligengeistfeld; „Aftermove Party“ ab 17 Uhr

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen