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Das Ding, das kommtPerfekter Look

Sie ist schon ein paar Jahr her, die ganz große Winnetou- und Karl-May-Begeisterung in Deutschland (West). Aber Bedarf, sich wie der Prototyp des edlen Wilden respektive „einer neuen germanisch-indianischen Rasse jenseits des Atlantic“ zu kleiden, die Karl May selbst ja als gutes und tüchtiges Gegenmodell zum geldgierigen Yankee heraufbeschwören wollte, besteht offenbar abbis heute: Das bestätigt ein kurzer Blick ins Basar-Forum des Magazins Karl May & Co.

An ein Kostüm zu kommen, das dem von Winnetou-Darsteller Pierre Brice höchstselbst entworfenen und bemalten Original zumindest ähnelt, mit dem der edle Bretone von 1988 bis 1991 dann auch noch durchs Bad Segeberger Kalkbergstadion ritt, ist aber gar nicht so leicht. Einigermaßen nah ran kommt man mit den Schnittmusterbögen aus der Bravo, die in der offenen Indianer-Szene immer noch kuriseren. Die Jugendzeitschrift war damals ja sowas wie das Zentralorgan der Winnetou-Fans. Sogar der alljährlich verliehene Bravo-„Otto“ wurde 1965 zum Indianer umgebastelt. Und bekommen hat ihn bis heute niemand häufiger als der im Verlauf der Jahre symbiotisch mit seiner Figur zusammengewachsene Brice.

Aber das große handwerkliche Problem beim Selbstschneidern: An den Perlenstickereien scheitern die meisten Freunde des fiktiven Apachenhäuptlings. Bestellen können sie sich stattdessen ein Kostüm bei der tschechischen Firma „Western Hobby“, aus echtem Hirschleder ist das und die Perlenstickereien sind auch dabei. Rechtzeitig dran denken muss man aber: Vier bis fünf Monate brauchen auch die Tschechen für die Herstellung. Und ein Schnäppchen ist das nicht: mit Mokassins, Gürtel, Stirnband und Bärenkette muss man schon stattliche 1.600 Euro berappen.

Wer noch mehr Geld ausgeben will, muss solche Umwege jetzt aber gar nicht mehr gehen. Denn das Originalkostüm wird am kommenden Wochenende in Berlin versteigert. Im Internet können auch norddeutsche Winnetou-Fans mitbieten. Insgesamt werden 1.500 Exponate aus dem Nachlass des im Juni verstorbenen Brice versteigert. Ein Tomahawk, Sättel, Zaumzeuge und die berühmte Silberbüchse sind natürlich auch dabei. Außerdem ein Glücks-Penny, den Brice einmal von einem echten Indianer bekommen hat. Und jede Menge Bücher, Gemälde, Möbel, Messer.

Fehlt nur noch eins zum perfekten Winnetou-Look, aber das muss man selbst üben: nicht allzu viel reden, edel gucken! MATT

„Nachlassversteigerung Pierre Brice“ im Internet: www.historia.de

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