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Archiv-Artikel

Das Ding, das kommt Begegnung mit Laborcharakter

Die Oud ist eines der Instrumente, die man in Osnabrück beim Morgenland-Festival zu hören bekommt

Von MATT

Voller Klischees ist das Bild vom Gegensatz von Abendland und Morgenland. Tatsächlich blicken beide Weltregionen auf eine lange gemeinsame Geschichte zurück, die inniger, aber auch komplexer nicht sein könnte.

Beispiel Musik: Im Mittelalter brachten Kreuzfahrer aus dem Nahen Osten eine Kurzhalslaute namens Oud nach Europa, wo sie Bünde bekam, mit Darmsaiten bespannt und in der Renaissance als Laute zur „Königin der Instrumente“ wurde – bis die Gitarre sie in der Romantik vom Thron stürzte.

In der arabischen Musik hingegen spielt die Oud einerseits im Takht, dem klassischen Instrumentalensemble, bis heute eine zentrale Rolle, andererseits überführen arabische Musik-Grenzgänger wie der libanesische Komponist und Oud-Virtuose Rabih Abou-Khalil ihre Spielweise derzeit in westliche Jazz- und Rockkontexte.

Es ist diese Komplexität der kulturellen Verhältnisse zwischen beiden Regionen, der sich das Osnabrücker Morgenland-Festival seit acht Jahren ausdrücklich widmet: Das längst weltweit als eines der wichtigsten Festivals für Musik und Kultur des Nahen und Mittleren Ostens geltende Musikertreffen möchte weder Kulturimport noch romantisches Orient- und nicht einmal Weltmusik-Festival sein. Sondern eine Musikbegegnungsstätte mit Laborcharakter.

Denn Initiator und Leiter Michael Dreyer versteht den Orient von Beginn an ausdrücklich als Region – und macht sich zur Aufgabe, all den Klischees, die das Wort hervorruft, ein möglichst authentisches und komplexes Bild entgegenzusetzen.

Dieses Jahr eröffnet das Festival erstmals nicht nur im Orient eine Dependance – der Auftakt fand im August in Erbil, der Hauptstadt der Autonomen Region Kurdistan im Norden des Irak statt. In einem Doppelkonzert sind im großen Sendesaal des NDR in Hannover diesen Samstag zwei interessante Kollaborationen zu hören.

Die NDR Bigband trifft dort auf den armenisch-syrischen Sänger Ibrahim Keivo, der seit Jahren traditionelle Lieder der Region sammelt. Das Festivalensemble Morgenland All Star Band wiederum spielt gemeinsam mit dem US-amerikanischen Trompeter und Santur-Spieler Amir El-Saffar, der irakischen Maqam mit Jazz zusammenführt.  MATT

■ bis 6. 10., Osnabrück und Hannover, Infos und Programm: morgenland-festival.de