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Das Ding, das fehltGeklaute Tanzschritte

Die Kladde mit wichtigen Notizen zur Neufassung von „Peer Gynt“ wurde Hamburgs Ballettchef John Neumeier gestohlen  Foto: dpa

Die Premiere der Neufassung von John Neumeiers Ballett „Peer Gynt“ zur Musik von Alfred Schnittke am Sonntagabend zum Auftakt der 41. Hamburger Ballett-Tage ist gesichert. Noch haben Neumeier und seine TänzerInnen alles im Kopf. Aber für weitere Aufführungen wird Hamburgs Ballett-Chef doch auf seine Aufzeichnungen zurückgreifen müssen. Die aber sind erst mal weg – aus dem Auto der Choreologin geklaut.

Am Mittwochmorgen – just an dem Tag, an dem bekannt wurde, dass Neumeier für sein Lebenswerk und seine Verdienste um den Tanz mit dem hoch dotierten japanischen Kyoto-Preis ausgezeichnet wird – hatten Diebe die Fensterscheibe der Beifahrertür eingeschlagen, die Sitze des Kleinwagens ausgebaut und auch die zwei schweren Rollkoffer mitgenommen, in denen sich die Notizen und Protokolle befanden: drei dunkelblau eingebundene DIN-A3-Bücher, fünf hellblaue DIN-A4-Ordner, eine mehrteilige Orchesterpartitur und ein paar DVDs.

Bereits 1989 hatte Neumeier das Ballett noch zu Lebzeiten Schnittkes mit den TänzerInnen Ivan Liska, Anna Grabka und Gigi Hyatt inszeniert – für Neumeier und auch für den russisch-deutschen Komponisten ein großer internationaler Erfolg. Schon Mitte der 1980er-Jahre hatte Neumeier für sein Ballett „Endstation Sehnsucht“ und für „Othello“ Musik Schnittkes verwendet.

Für seine Neufassung hat der Ballettdirektor jetzt versucht, choreografische Linien klarer herauszuarbeiten. Nicht um eine Wiederaufnahme nach 26 Jahren gehe es ihm, betont das Journal der Staatsoper, sondern „um heutige Einsichten, die ihn dazu führen, die einzelnen dramaturgischen Elemente in der Struktur sowie die Schritte neu zu durchdenken und neu zu choreografieren“. Auch Bühnenbild und Kostüme wurden überarbeitet.

Was nun nirgendwo dokumentiert ist, sind all die spontanen Einfälle, neuen Schrittfolgen und minimalen Haltungsänderungen, die Neumeiers Assistentin Sonja Tinnes während der Proben protokolliert hat: Wie die SolistInnen Alina Cojocaru und Carsten Jung ihre Köpfe neigen, wie sie blicken, in welchem Winkel sie ihre Füße stellen, wie lange sie beieinander bleiben.

Was sie da gestohlen haben, ist den Dieben vermutlich nicht bewusst. Noch nicht. Denn wenn sie das Diebesgut bei der Polizei abgeben, gibt es Finderlohn: Freikarten für die Premiere am Sonntag. Robert Matthies

Premiere der Neufassung von „Peer Gynt“: So, 28. 6., 18 Uhr, Hamburgische Staatsoper

41. Hamburger Ballett-Tage: bis Fr, 3. 7., Internet: hamburgballett.de

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