wortwechsel
: Das Digital-Fanal:
Fack ju, Mr. 0 und 1 Leibniz!

Die Digitalisierung an deutschen Schulen sitzt nun dumm im Aufenthaltsraum herum.
Die taz-LeserInnen sehen krasse Unstimmigkeiten im Digitalpakt und falsche Prioritäten

Grundschule in Schüttorf, Niedersachsen, im Kalenderjahr 2017 Foto: Friso Gentsch/dpa

„Digitalisierung fällt aus!“,

taz vom 4. 12. 18

Kein Klo, kein PC

An Schulen fehlt es zunächst an den basics: Lehrpersonal, SozialarbeiterInnen, BetreuerInnen, funktionsfähige Gebäude, inklusive funktionsfähiger, hygienischer Sanitäranlagen. Ohne diese basics hilft auch keine Digitalisierung. Und wieso sollten die Länder 50 Prozent der Luxusdigitalisierung bezahlen – wenn sie dann die kaputten Toiletten erst recht nicht sanieren können? Kommt einem nicht schlau vor. Ebenso wenig wie die Beschaffungsvorschläge. Tablets! Was soll das denn? Damit kann man surfen und daddeln. Und mit etwas Mühe E-Mails schreiben. Zum echten Arbeiten – oder gar: Programmieren – nimmt jeder normale Arbeitende doch lieber einen echten Rechner. Da kann man dann auch gleich praktisch für’s Leben auf der Tastatur das Zehnfingersystem lernen. Dann Word, Excel, eine Programmiersprache. Das zeigt, wie undurchdacht das ganze Konzept ist. Besser: in Lehrende und Betreuende investieren! Silke Karcher, Berlin

Und wer zahlt das alles?

Unabhängig von der Frage, wer bezahlt die Geräte, stellt sich die größere Frage: Wer repariert und wartet die Geräte? LehrerInnen? Anstelle von Unterricht? TechnikerInnen? Wer bezahlt deren Löhne? Wer stellt sie ein?

Marianne Link, Heidelberg

Hoffnung oder Horror?

Auf wessen Zug seid ihr tazler da denn aufgesprungen? Über wessen Stöckchen springt ihr? Jetzt wird gezetert über die Checks & Balances von Bundestag und Bundesrat, FDP-Lindner weiß wieder genau, wie unmöglich das ist, die Schulen werden nicht – jedenfalls nicht so, wie im Bundestag beschlossen – digitalisiert. Die unseligen CDU-Bildungsministerinnen Schavan, Wanka und nun auch noch Karliczek haben sich nicht um den tatsächlichen Zustand unserer Schulen gekümmert, was Baulichkeiten und ausreichend Lehr- und Betreuungspersonal angeht, sondern sich vor den Industriekarren spannen lassen: Alles wird besser, wenn wir die Schule digitalisieren, und die Computerindustrie spendet gar die ersten Geräte. Geldversprechen über fünf Milliarden werden hinausposaunt, der Bund will mitbestimmen und mitfördern – fordert aber die entsprechenden Beträge von den Ländern und Gemeinden, die das schließlich in viel größerem Maß weiter finanzieren müssten und darauf festgelegt wären. Pädagogisch hat das Tablet oder der elektronische Rechner kaum etwas in der Schule zu suchen, das wäre Scheinfortschritt, der kaum sinnvoll von Lehrern zu begleiten ist. Miteinander forschen an Phänomenen, sich darüber zu beraten, da sind Fähigkeiten verschiedenster Art zu entwickeln, bis hin zur Empathie; da ist Pädagogik gefragt. Wissensgewinn, schnell über Tablets gewonnen und vergessen, bildet nicht, vereinsamt eher. Das sozial bildende Element wird nicht durch die Digitalisierung gefördert. Vielleicht haben die Ministerpräsidenten recht, wenn sie auf diesen Zug nicht aufspringen, dieses bitter-süße, verheerende Bonbon. Ernst-Friedrich Harmsen, Berlin

WLAN? Geht auf’s Herz?

Es ist gut, dass sich der „Digitalpakt“ verschiebt. Das gibt Bedenkzeit, Sinnvolles von Sinnlosem zu unterscheiden. Die Nutzung von Smartphones und Tablets im Unterricht erfordert WLAN. WLAN ist gesundheitsschädlich. Nach kurzer Zeit im WLAN-Feld verändert sich der Herzrhythmus: Während er beim gesunden Menschen leicht unregelmäßig ist, wird er unter WLAN-Einfluss gleichmäßig wie kurz vor dem Tod. Und elektromagnetische Strahlung verursacht oxidativen Stress, der Krankheiten begünstigt. Es geht um Geschäftsinteressen: Das private Hasso-Plattner-Institut möchte die Protokolle der Lernprogramme auf seinen Servern speichern. So erhalten private Anbieter Daten über Lernverhalten, Interessen und Fähigkeiten der Schüler. Die Bertelsmann-Stiftung möchte ihr Geschäft auf dem Bildungssektor ausweiten. Was wir brauchen, sind mehr kabelgebundene Computer(-räume) und Programme, die keinem kommerziellen Zweck dienen.

Jochen Diefenthaler, Memmingen

Enorme Folgekosten

Ist es erwiesen, dass das Arbeiten mit elektronischen Medien Kinder besser lernen lässt? Gibt es dazu von der IT-Industrie unabhängige Studien? Ist geklärt, wer die Folgekosten der Digitalisierungsoffensive in den Schulen trägt? Wer bezahlt die Reparaturen, Versicherungen, Software-Updates und den Austausch veralteter Geräte nach wenigen Jahren? Was passiert mit den Unmengen Elektroschrott, der nach wenigen Jahren anfällt? Wer profitiert von der Digitalisierung der Klassenzimmer? Wollen wir, dass gerade Apple, Google und Co, die in Europa fast keine Steuern bezahlen, davon profitieren? Könnte man mit dem intelligenten, zeitlich begrenzten Einsatz von Smartphones – die sowieso vorhanden sind – ähnliche Lernerfolge erzielen? Hat nicht inzwischen fast jeder Haushalt einen Computer, sodass vielleicht nur einigen wenigen finanziell benachteiligten Schülern ein Gerät zur Verfügung gestellt werden müsste? Übrigens, nach meiner Rechnung könnte man von den 5 Milliarden Euro 16.000 LehrerInnen fünf Jahre lang beschäftigen. Rechnet man Unterhalts- und Folgekosten der Digitalisierung ein, sicherlich noch viel mehr. P. S.: Mein Sohn hat erst mit 18 Jahren einen eigenen Computer bekommen und studiert jetzt Informatik. Julia Liesegang, Alfter

Holt euch alte Gurken!

Es hängt doch überhaupt nicht an der Hardware. In jedem Haushalt stehen zwei bis drei ausrangierte Rechner – wenn Schulen aufrufen würden, die Dinger zu spenden, würden sie in Hardware ersaufen. Daraus könnten sich die Schulen die brauchbaren raussuchen. Unterstützung durch Eltern oder lokale PC-Läden wäre auch kein großes oder teures Problem. Aber nein, auch kommende Generationen sollen möglichst naiv von früh bis spät ihre Daddel-Konsolen bedienen. Sie sollen ahnungslos sein, wenn wieder einmal mit KI die Lösung aller Probleme versprochen wird, sie sollen nicht wissen, wofür freie und offene Software gut ist, was man mit dem Internet alles machen könnte, außer Selfies zu posten. Sie sollen auch nicht wissen, mit wie wenigen Merkmalen man jemanden eindeutig identifizieren kann, warum selbst die Glotze Daten nach Hause schickt und was der Zusammenhang zwischen Big Data und KI ist. Was ein gute Benutzeroberfläche ausmacht, wie Software ressourcenschonend designt wird, was der Sinn von Standards ist, warum Verschlüsselung wichtig ist, wie IT jeden gesellschaftlichen Bereich verändert – und wie sie überall missbraucht wird. Mit Macht kommt Verantwortung. Das alles lernt man nicht auf dem Tablet, weil es eine Konsumentenkonsole ist. Das alles könnte man problemlos auf alten Gurken lernen. Ab der 9. Klasse wären die SchülerInnen so fit, dass sie ihre Schulinfrastruktur selber administrieren und erneuern könnten. UVW auf taz.de

Die Katze kann’s

„Mit Skype auf der Couch“,

taz vom 4. 12. 18

Pia Klaus meint: „Therapie hat so viel mit echter Empathie zu tun“ und sei spürbar – ob nun in einem Raum oder miteinander verbunden durch das Internet, spiele da überhaupt keine Rolle. Das ist nach meiner jahrzehntelangen Erfahrung als psychosomatisch orientierter Hausarzt gefährlicher Unsinn. Im Kontakt mit Patient*innen sind alle Sinne unmittelbar erforderlich, um wirkliches Mitgefühl (Empathie) zu erzeugen. Als Beispiel sei nur die allgemein völlig unterschätzte Nase erwähnt, die im Zusammenspiel der Sinne eine entscheidende, wenn auch meist unbewusste Rolle spielt. Virtuelle Beratung mag nützlich sein. Aber sie ist auch immer eine versuchte Therapie – und zwar eine distanzierte. P. S.: Am besten gefällt mir das Foto der ruhenden Katze. Therapeutisch. Uwe Niese, Berlin