■ Das Diepgen des Tages: Andreas Kurtz
Womit kann man Kindern heute noch drohen, wenn sie nicht schlafen gehen oder ihren Teller leer essen wollen? Der schwarze Mann hat seinen Schrecken längst verloren.
Aber wie wäre es mit Andreas Kurtz?
Andreas Kurtz ist der Gesellschaftsreporter der Berliner Zeitung, für die er die weltweit einzige klatschfreie Klatschkolumne betreut: das „Stadtgeflüster“. Wenn in Berlin Geschäfte eröffnet werden, Geburtstagspartys gefeiert oder „hochklassige BMW-Eurochampionate“ auf der Galopprennbahn auszutragen sind, dann ist Kurtz dabei. Immer dicht an der Häppchenfront, lässt er sich nette kleine Geschichten zum Weitererzählen in den Notizblock diktieren: „Wenn Jörg Schönbohm in Steglitz einkauft, dann merkt er an den freundlichen Reaktionen der Passanten, dass seine Zeit als Berliner Senator nicht vergessen ist“, meldet Kurtz zum Beispiel anlässlich eines Auftritts der „Wahlkampflokomotive“ Schönbohm im Grand Hyatt Hotel von seinem Einsatzort, dem „sehr guten Hyatt-Buffet“. Kurtz plaudert natürlich nicht nur mit den Größen aus Politik und Wirtschaft, sondern auch mit denen aus der Unterhaltungsbranche. Etwa beim Geburtstagsfest von Siegfried Trzoß, dem „die meisten der anwesenden Sänger und Sängerinnen sehr dankbar“ sind, wie Kurtz in Erfahrung bringt – obwohl das Buffet „schon kurz nach Eröffnung ratzeputz leer war“.
Kurtz' besondere Begabung aber sind seine kryptischen Einleitungssätze. „Zockertypen, die mit der Rennzeitung morgens schon aus dem Bett kommen, wollen die Pferdchen in der gewetteten Reihenfolge ins Ziel galoppieren sehen“, lautet Kurtz' Motto zu Beginn eines Berichts von der Rennbahn; mit den Worten „Von den Musikern fehlte beim Durchzählen des Gepäcks zum Glück keiner, aber das Gepäck ist bisher leider noch unvollständig“ beginnt Kurtz einen Bericht über das New-York-Gastspiel des Berliner Swing Dance Orchestra.
Das allein wird Kinder natürlich nicht beeindrucken – wohl aber das Foto, das jedes „Stadtgeflüster“ ziert: Mit diesem bärtigen und leicht ins Mopsige tendierenden Mann, der hinter betont vorgehaltener Hand aufdringlich in die Kamera lächelt, lässt sich vortrefflich drohen.
Und jetzt ab ins Bett, sonst kommt der Kurtz!
Molly Bluhm
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