piwik no script img

■ Das Bundesverfassungsgericht hat mit einem klaren Jein den Cannabis-Konsum entkriminalisiertFrohen Herzens genießen

In seinem am Donnerstag ergangenen Urteil hat das Bundesverfassungsgericht die Länder aufgefordert, den Erwerb und Besitz von Haschisch und Marihuana zum Eigenverbrauch nicht länger strafrechtlich zu verfolgen. Nach mehr als einem halben Jahrhundert der Hanf-Prohibition hat das höchste deutsche Gericht damit den Gebrauch von Hanfdrogen entkriminalisiert – ohne die Strafbarkeit grundsätzlich aufzuheben. Die Länder müssen nach dem Willen der Karlsruher Richter nun einheitliche Verwaltungsvorschriften erlassen, um „Rechtssicherheit für gelegentliche Konsumenten“ herzustellen – und darüber hinaus Cannabis weiterhin verfolgen wie bisher. Die Entscheidung des BVG ist also ein klassisches Jein – und doch ein erster und wichtiger Schritt in der Abrüstung des Drogenkriegs. Für die drei bis fünf Millionen Cannabis-KonsumentInnen in Deutschland bedeutet das Urteil, daß sie, wie ihre Nachbarn in Holland und der Schweiz, die Droge ihrer Wahl künftig ohne Angst vor Bestrafung frohen Herzens genießen dürfen.

Auch wenn sich das Gericht nicht dazu durchringen konnte, das geltende Betäubungsmittelgesetz für verfassungswidrig zu erklären und Cannabis mit den absolut legalen und ungleich gesundheitsschädlicheren Drogen Alkohol und Nikotin auf eine Stufe zu stellen, ist mit diesem Urteil zumindest das Mittelalter in der Drogen-Prohibition beendet. Um eine dem 20.Jahrhundert angemessene Drogenpolitik zu erreichen, bleibt unterdessen eine Menge zu tun. Daß ein Recht auf Rausch zur freien Persönlichkeitsentfaltung gehört – dieser vom Lübecker Landgericht eingeklagten Selbstverständlichkeit hat sich das Verfassungsgericht nicht angeschlossen. Für die Richter ist es mit dem Gleichbehandlungsgrundsatz des Grundgesetzes vereinbar, gesundheitlich unschädliche Drogen wie Cannabis weiterhin grundsätzlich zu diskriminieren, während für Suchtmittel wie Alkohol und Tabak sogar öffentlich geworben werden darf. Das Maß an Gesundheitsgefährdung, so heißt es, müsse nicht das einzige Kriterium für die Aufnahme in die Liste der Betäubungsmittel sein. Welche sonstigen Kriterien, wenn nicht das der Gesundheitsgefährdung, für irgendein Verbot überhaupt in Frage kommen, darüber schweigt sich das Urteil aus. Daß die schädlichen Wirkungen des Alkohols durch soziale Kontrolle überwiegend vermieden werden – diese Passage des Urteils ist angesichts von über 40.000 Alkoholtoten per annum eher ein zynischer Witz.

Genausowenig wie an diesem Mißverhältnis der Toleranz ändert das Urteil etwas an der zynischen und mafiosen Ökonomie des Cannabis-Markts – der harmlose Hanf bleibt weiterhin in der Grauzone des Schwarzmarkts und damit auf einer Ebene mit Waffen- und Heroinhandel. Deshalb muß neben dem Besitz auch der Anbau von THC-reichem Cannabis zum Eigenbedarf entkriminalisiert werden. Daß die nützlichste Pflanze des Planeten auch nach diesem Urteil weiterhin mit Stumpf und Stil verboten bleibt, ist ein Skandal erster Güte. Es gibt viel zu tun – pflanzen wir's an! Mathias Bröckers

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen