■ Comeback eines alten lasterhaften Kinostars: die Fluppe: Darf man nicht mal mehr zusehen?
London (dpa/taz) – Sie hat in zahllosen Filmen eine wichtige Rolle gespielt und besonders in den vierziger und fünfziger Jahren unvergeßliche Auftritte gehabt: Die Zigarette war jahrzehntelang von der Leinwand nicht wegzudenken. Für Generationen von Kinogängern verbanden sich mit dem Rauchen Glamour und Weltläufigkeit, Macht und Sex-Appeal. Stars wie Jean Gabin, John Wayne oder Bette Davis waren selten ohne Zigarette zu sehen; bei Marlene Dietrich gehörte die lange Zigarettenspitze zur erotischen Grundausstattung. Humphrey Bogart, der Ingrid Bergman in „Casablanca“ durch den Rauch seiner Zigarette in die blauen Augen sieht, blieb seinem Laster bis zum letzten Zug treu. Er starb am 14. Januar 1957 – an Lungenkrebs.
Erst in den achtziger Jahren sorgten Gesundheitsbehörden und Nichtraucher-Verbände für eine Trendwende im Kino: Sie verwiesen auf Krebsgefahr, Dauerhusten und schmutzige Aschenbecher und kämpften erfolgreich für eine saubere Leinwand – jahrelang rauchten in Hollywood-Filmen allenfalls noch Bösewichter. Inzwischen scheint ein Wendepunkt erreicht, die guten Vorsätze der Filmindustrie lösen sich augenscheinlich in Rauch auf. Eine in diesen Tagen von der britischen Behörde für Gesundheitserziehung (HEA) veröffentlichte Untersuchung belegt eindeutig: Die Zigarette ist nach Jahren der Abstinenz auf die Leinwand zurückgekehrt. Eine Analyse der zehn Kassenhits des ersten Halbjahres zeigt, daß in acht geraucht wird, darunter „Bodyguard“, „Dracula“ und „Duft der Frauen“. Allein Disneys „Dschungelbuch“ und „Liebling, jetzt haben wir ein Riesenbaby“ blieben rauchfreie Zonen – zuwenig, wie die HEA befand. Jüngste Untersuchungen zeigen, daß in Großbritannien acht Prozent der elf- bis 15jährigen regelmäßig rauchen. Und in den USA stieg der Anteil der Raucher 1992 erstmals seit 25 Jahren wieder leicht an: um 0,2 auf 25,7 Prozent. In der britischen Öffentlichkeit stieß die Forderung der HEA, auf das Rauchen im Film grundsätzlich zu verzichten und statt dessen auf die Gefahren hinzuweisen, auf Unverständnis. „Casablanca“, ein Kultfilm auch für Raucher, sei ohne Zigaretten wie Gin ohne Tonic, entrüstete sich die Londoner Times, „erst will man uns das Rauchen verbieten, jetzt sollen wir nicht mal mehr anderen Leuten beim Rauchen zusehen dürfen“. Männer, fand die HEA immerhin heraus, rauchten auf der Leinwand vor allem vor wichtigen Entscheidungen, während Frauen in unangenehmen Situationen zur Zigarette griffen. Einen ihrer schönsten Auftritte hatte die Zigarette in „Außer Atem“, dem Kinodebüt des passionierten Zigarrenrauchers Jean-Luc Godard.
Jean-Paul Belmondo, der sich auch beim Rauchen an seinem großen Vorbild Humphrey Bogart orientiert, wird am Ende auf offener Straße erschossen. Bevor er zusammensackt, nimmt er einen tiefen Zug aus der Fluppe. Sterbend stößt er seine letzte Rauchwolke aus.
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