Dänische Mohammed-Karrikaturen: Bei 94.923 Nachkommen entschuldigt
Die dänische Zeitung "Politiken" entschuldigt sich wegen einer Mohammed-Karikatur bei 94.923 Nachkommen des Propheten und erntet dafür harsche Kritik in Dänemark.
STOCKHOLM taz | Für eine mögliche Kränkung durch den Nachdruck der umstrittenen Karikatur des Zeichners Kurt Westergaard hat sich der Kopenhagener Politiken am Freitag in aller Form entschuldigt. Die Zeichnung zeigte den Propheten Mohammed mit einer Bombe im Turban. Die linksliberale Tageszeitung zog sich mit ihrem Schritt aber nahezu einmütige Kritik anderer Medien, vom Schriftstellerverband bis zu „Reporter ohne Grenzen“ und Politikern von links- bis rechtsaußen auf sich.
Ministerpräsident Lars Løkke Rasmussen ist „bekümmert“. Pia Kjærsgaard, der Vorsitzenden der rechtspopulistischen „Fortschrittspartei“ „fehlen die Worte“: Die Zeitung „verkauft die Meinungsfreiheit Dänemarks und der westlichen Welt“. Helle Thorning-Schmidt, Vorsitzende der Sozialdemokraten spricht von einem „wahnwitzigen Schritt“ und Villy Søvndal, Vorsitzender der Linkssozialisten kritisiert „über die Meinungsfreiheit kann man nicht verhandeln“.
Verhandelt hatte „Politiken“ mit dem saudi-arabischen Rechtsanwalt Faisal Yamani. Der gibt an, acht muslimische Organisationen mit 94.923 Nachkommen des Propheten Mohammed zu vertreten und fordert unter Androhung rechtlicher Schritte von elf dänischen Zeitungen eine Entschuldigung für die Veröffentlichung von Kurt Westergaards Karikatur.
Die elf Blätter hatten diese erstmals 2005 in der Jyllands-Posten veröffentlichte Zeichnung im Februar 2008 nach Aufdeckung eines vermeintlichen Mordkomplotts gegen Westergaard demonstrativ erneut abgedruckt. Politiken-Chefredakteur Tøger Seidenfaden seinerzeit: „Wir wollen damit demonstrieren, dass der Terror letztendlich machtlos ist.“
Wenn Politiken nun „anerkennt und beklagt, dass unser Wiederabdruck der Karikaturzeichnung des Propheten Mohammed Muslime in Dänemark und in anderen Ländern weltweit gekränkt hat”, erklärt das Seidenfaden mit der Hoffnung, damit zu einer „Entspannung“ beitragen zu können. In einem am Sonntag veröffentlichten Leitartikel wird die damalige Veröffentlichung als Fehler bezeichnet: Wolle man einen „Dialog aufrechterhalten, mit denen, über die man schreibt, muss man bereit sein, einen Fehler einzugestehen und auch zu beklagen“.
Zu den wenigen Stimmen, die den Schritt von Politiken begrüßen gehört die Vorsitzende der linksliberalen „Radikalen“ Margrethe Vestager: „Es ist mutig, dass Politiken sich für Dialog statt Konfrontation entscheidet.“ Und auch Ex-Außenminister Uffe Ellemann-Jensen verteidigt das Blatt, das mit diesem Schritt „in dieser von Anfang an unglücklichen Geschichte“ Extremisten den Wind aus den Segeln nehme und zu einer Entspannung beitrage.
Anders als 2008 hatte nach einem erneuen Anschlagsversuch auf Westergaard am Neujahrstag 2010 keine dänische Zeitung – auch nicht Jyllands-Posten - die fragliche Karikatur nochmals abgedruckt. Laut einer Meinungsumfrage begrüßten 84 Prozent der Dänen diese Entscheidung.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 50.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Studie zu Bürgergeldempfängern
Leben in ständiger Unsicherheit
Rechtsextreme Medien
Doch kein „Compact“-Verbot
Selbstfahrende Fahrzeuge von Tesla
Ein Weg weg vom Privatauto
Bundeshaushalt
Aberwitzige Anbiederung an Trump
Nach Russland-„Manifest“
Ralf Stegner soll Parlamentarisches Kontrollgremium verlassen
Söder bei Reichelt-Portal „Nius“
Keine Plattform für Söder