Da raucht der Schornstein: Heiße Tips für Ungarn
■ Deutsch–ungarischer Investitionsführer lädt ein zur Selbstbedienung
Die ungarischen Handelskammer und der Ost–Ausschuß der Deutschen Wirtschaft haben eine spannende Fibel erarbeitet. Zweck er Übung: Deutschen Unternehmern soll die Beteiligung an der ungarischen Wirtschaft schmackhaft gemacht werden. Daß man mit den ungarischen Ressourcen und Arbeitnehmern nicht zimperlich umgehen muß, verdeutlicht das Kapitel über Investitionsbedingungen bei der Gründung von Gemeinschaftsunternehmen zwischen ungarischen und deutschen Firmen, sogenannten „Joint Ventures“: „Die Kosten für Energie und Grundstoffe liegen auf vielen Gebieten niedriger als in hochentwickelten Industrieländern. Das gleiche gilt auch für das allgemeine Lohnniveau und die Lohnnebenkosten.“ Dient man sich also einerseits als ein gut ausbeutbares Entwicklungsland an, deutet man andererseits diskret hin auf die sozialistische Ruhe und Ordnung. Gewerkschaften spielen ihre Rolle scheinbar im Dienstleistungssektor, denn: „Ausfälle durch Arbeitskampf sind nicht bekannt.“ Es folgt eine Einladung, sich an Umwelt und Natur einmal so richtig schadlos zu halten: „Ungarn verweist auch auf die noch verhältnismäßig geringen Umweltschutzauflagen. Auch als Sprungbrett auf vom Westen schlecht zu erreichende Märkte bietet sich Ungarn an: „Der Export in die Entwicklungsländer ist in vielen Fällen von ungarischen Standorten aus leichter, weil Ungarn zahlreiche bilaterale Handelsabkommen mit Drittländern besitzt...“ Aber hatte Wirtschaftsrefrom nicht auch etwas mit Demokratisierung im Betrieb zu tun? Leser und Leserin dürfen nicken. Der Investitionsführer erläutert hierzu, daß im Rahmen der Wirtschaftsreform „die Bildung von Betriebsräten und die Mitwirkung der Mitarbeiter bei der Wahl der Direktoren eingeführt“ werde. Aber für die Devisenbringer macht man schon mal eine Ausnahme: „Dies wird allerdings nicht für die Gemeinschaftsunternehmen gelten.“ Ingrid Oswald McCASH FLOWS ORAKEL
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