: Da kann man was machen!
taz-Panter-Preis: Bewerber und Nominierte finden Eingang in ein Buch
Die Welt ist nicht unbedingt im besten Zustand, da kann man nichts machen. Oder doch? Der Kabarettist Jürgen Becker, der katholische Pfarrer Franz Meurer und der nach eigenen Angaben „altlinke“ Journalist Martin Stankowski bildeten ein Dream-Team der besonderen Art: Beim gemeinsamen Frühstück entwickelten sie die Idee, eine Werkzeugkiste für Weltverbesserer herzustellen, und zwar in Form eines Buchs: „Von Wegen Nix Zu Machen“ heißt es – und beim Verlag Kiepenheuer & Witsch sind bereits rekordverdächtige Vorbestellungen eingegangen.
Jeder kann etwas tun, ob in der Nachbarschaft oder in der Dritten Welt. Eine Schnorrerschule gründen, kostenlose Businesskleidung an Hartz-IV-Empfänger ausleihen, Hausaufgaben in einem Flüchtlingsheim betreuen – „und 100 weitere subversive, originelle und garantiert befriedigende Ideen für Weltverbesserer“ wurden zusamengetragen, graphisch gestaltet und visuell umgesetzt von Studierenden der „Köln International School of Design“. Die Nachwuchs-Aktivisten kümmerten sich zudem auch um inhaltliche Frische, „manches von dem, was wir ausgewählt hatten, erschien den Studierenden zu moralisch und altbacken“, erklärt Martin Stankowski, Mitautor und taz-Genossenschaftsmitglied. Über diese Verbindung fanden zahlreiche Preisträger, Nominierte und Bewerber des taz-Panter-Preises Eingang in die Sammlung von guten Werken, die den Lesern Appetit auf mehr machen soll. Zum Beispiel die im vergangenen Jahr nominierte Stefanie Christmann, die mit Spendengeldern über 5.000 Esel gekauft hat, die Frauen in Eritrea eine zuverlässige Einkommensquelle und größere Selbstständigkeit ermöglichen. Oder der ebenfalls im vergangenen Jahr nominierte Darmstädter Zahnarzt Martin Ahrberg, der Menschen in sozialer Notlage kostenlos zu einem neuen Lächeln verhilft: Er saniert Obdachlosen das Gebiss und gründete zusammen mit anderen Engagierten den Verein „Die Gesundheitsengel“.
Im Prinzip beinhaltet diese Werkzeugkiste eine Utopie des selber machens – weil es eben nicht genügt, stets nur die Verhältnisse anzuprangern. Was nicht bedeutet, dass die Politik aus ihrer Verantwortung entlassen ist: „Dieses Umdenken weg von kollektiven Zusammenhängen hin zum individuellen Handeln: Bei mir war das eine schleichende Entwicklung. Ich begreife das Handeln des Einzelnen jedoch weiterhin als komplementär zum kollektiven Handeln. Es geht darum, dass der Einzelne nicht nur Nutzen aus der Gesellschaft zieht, sondern auch eine Wirkung erbringt“, sagt Stankowski, der gleichzeitig betont, dass man weiterhin über Umverteilung reden muss: „Warum müssen eigentlich Kinder in unserer Gesellschaft bezahlen? Das könnte man ändern, dann muss man eben das Ehegattensplitting abschaffen“, erklärt Stankowski.
Für solche Fragen muss man sich großer Baumaschinen bedienen, doch im Kleinen genügt auch ein Schraubenzieher aus der Werkzeugkiste für Selbstverbesserer. Warum nicht im Treppenhaus eine „Mitnehmecke“ einrichten? Ein Tisch, auf dem man gelesene Bücher oder eine noch gebrauchsfähige Kaffeemaschine deponiert, die der Nachbar vielleicht gerade benötigt. Umverteilung ist eine riesige Baustelle, in der Nachbarschaft kann man schon mal damit beginnen. MARTIN REICHERT
Franz Meurer, Jürgen Becker, Martin Stankowski: „Von Wegen Nix Zu Machen. Werkzeugkiste Für Weltverbesserer“. KiWi, Köln 2007. 189 Seiten, 7.95 Euro.