: DSU: Eigene Fraktion mit 1,7Prozent
Magdeburg (taz) — Kaum zwei Wochen ist es her, da zerriß sich der Magdeburger Landtag das Maul über eine illustre Tafelrunde. Mit dem ehemaligen CDU-Fraktionschef Joachim Auer und dem geschaßten Ex-Innenminister Wolfgang Braun tuschelten in der Kantine der frustrierte Christdemokrat Gerd Mischke, die aus der SPD-Fraktion ausgetretene Bärbel Ballhorn und der PDS-Dissident Hans-Gerd Glück. Das Ergebnis des Geflüsters gab Sachsen-Anhalts Landtagspräsident Klaus Keitel am Donnerstag bekannt. Auer habe ihm mitgeteilt, daß er mit den vier anderen die Fraktion der Deutsch-Sozialen Union (DSU) gegründet habe.
Für Joachim Auer ist das bereits der zweite Versuch, sich wie ein kleiner Phönix aus der Asche der Bedeutungslosigkeit eines fraktionslosen Abgeordneten in die Rolle eines Fraktionschefs aufzuschwingen. Schon mit dem Scheitern seiner Freien Fraktion aus CDU- und SPD- Dissidenten Ende letzten Jahres machte Auer immer wieder klar, daß er damit noch lange nicht am Ende sei. Die neue Fraktion ist jedoch ein Novum in der bundesdeutschen Parlamentsgeschichte. Zum ersten Mal ist eine Partei in Fraktionsstärke in einem Parlament vertreten, die bei den Wahlen weit abgeschlagen bei nur 1,7 Prozent landete. Und: Neben Auer hat bislang lediglich der gescheiterte Innnenmiminster Braun das DSU-Parteibuch in der Tasche.
Kaum gegründet, sieht sich der DSU-Clan im Magdeburger Landtag einer großen Koalition der Ablehnung gegenüber. „Eine Krampfkonstruktion zur Ausnutzung von Pfründen, sieht Regierungssprecher Gerd Dietrich (CDU) in der neuen Fraktion und wettert, daß damit der Wählerwille auf den Kopf gestellt sei. Die PDS gar sieht durch die Neugründung „die Scheinheiligkeit der bürgerlich-parlamentarischen Demokratie“ entlarvt und ist besonders erbittert darüber, daß ihr Ex-Genosse Glück bei Auer mitspielt. Und auch SPD-Fraktionschef Höppner mag die neue Gruppierung im Landtag nicht besonders ernst nehmen.
Vorerst ist das DSU-Häuflein politisch isoliert. Beobachter trauen Auer aber durchaus zu, mit seiner Fraktion weitere Abgeordnete aus der Koalition herauszubrechen. Eberhard Löblich
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