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Archiv-Artikel

DORTMUND – GÜNSTIG HINTER GROSSEN FENSTERN Ein abgesunkenes Idyll

Dortmund ist schön. Gemessen an den alliierten Plänen nach 45 jedenfalls, das bisschen, was noch übrig war, zu planieren und zu beackern. Stattdessen wurde wieder industriell genutzt, was einem Luftangriff in Zeitlupe ähnelt und auch mit Planieren endete, nur 50 Jahre später. Am Bahnhof ragt der mit einem gigantischen „U“ gekrönte Turm der ehemaligen Union-Brauerei empor. Einer von acht Bierherstellern Anfang der 80er, heute sind es noch zwei. Ins „U“ soll ein Museum, das keiner bezahlen kann. Ganz anders im Süden, wo auf die Stahlwerksbrache „Phoenix“ ein künstlicher Binnensee folgt. Dort kann man Yachten andocken, die keiner bezahlen kann. Schließlich die schiefen Türme von Deusen, dem dank Bergbau bis zu 24 Meter tief abgesunkenen Idyll rings um eine stillgelegte Mülldeponie. Bier, Stahl, Kohle – und in allen drei Branchen gelang den Dortmundern die pfiffige Aufgabenteilung, dass der Profit woanders landete, in Düsseldorf, bei der Deutschen Bank usw.

Westlich nach Bochum raus wächst ein Silicon Mountain, der die frisch bebrüteten Informatiker und Ingenieurwissenschaftler der dort munter in die Scholle gefurchten Uni abfängt. Der arbeitslose Montanwerker hat Schwierigkeiten, die Namen der Hightech-Firmen auszusprechen, die seinen Enkeln vielleicht Jobs geben. Und die Entscheidung der Stadträte, die Uni auf die grüne Wiese weit vor den Toren zu schmeißen, rächt sich in mangelndem studentischen Gepräge der Innenstadt. Wenn man Passanten mag, findet man günstig Wohnraum mit großen Fenstern in der Fußgängerzone.

Andererseits und nur unter uns: Die sechstgrößte Stadt Deutschlands besteht zu knapp der Hälfte aus Grünfläche, nachdem sie ihre schiere Größe, knapp 600.000 Einwohner, Schnauze da in Essen, einer hundertjährigen Eingemeindungspolitik verdankt. Wir emittieren halt beständig diesen Postindustrieblues, nachdem sich leider rumgesprochen hat, dass hier der Koks nicht mehr vom Himmel direkt in die Lunge kracht. Es ist überhaupt ziemlich schön, hier zu leben, aber das wird mir der Zensor FRIEDRICH KÜPPERSBUSCH

Der Autor ist Fernsehproduzent