DOPING? WELCHES DOPING? – JAN ULLRICH UND DIE ARD AN SEINER SEITE : Etappenankunft im Potemkin’schen Dorf
Es ist durchaus vorstellbar, dass Jan Ullrich in ein paar Jahren als Radsportexperte im öffentlich-rechtlichen Fernsehen auftaucht. Die ARD ist mit dem gestürzten Helden ja bestens bekannt. Seit Jahren betreibt sie Hofberichterstattung für Ullrichs altes Team Telekom. Der umstrittene Sportkoordinator des Senders, Hagen Boßdorf, hat sein Nahverhältnis zum Toursieger von 1997 hinlänglich ausgenutzt und eine Biografie über Ullrich verfasst. Nach einem Gerichtsurteil von Anfang des Jahres darf jeder behaupten, dass die ARD eine das Doping begünstigende Berichterstattung betreibt. Und die „exklusive“ Zusammenarbeit Ullrichs mit den Spezln vom Sender wurde, wie jetzt bekannt wurde, sogar vertraglich geregelt und pro Jahr mit etwa 200.000 Euro vergütet.
Das war nur konsequent. Wo ein Sender als Promotion-Agentur agiert, schmilzt die Distanz zum Objekt der Berichterstattung. Warum also nicht die Grenze des guten Geschmacks überschreiten? Die ARD war sehr nah dran am Radsport, so nah, dass kaum noch ein kritischer Bericht ins Programm passte. Der Ullrich-Vertrag ist geschlossen worden auf dem Feld journalistischer Selbstaufgabe. Ihr hat sich der Sender im Radsport, beim Boxen oder auch im Biathlon verschrieben, jenen Sportarten, die im Portfolio der ARD zu finden sind oder zu finden waren.
Die Öffentlich-Rechtlichen können freilich nicht anders als lavieren. Sie stecken in einer Zwickmühle. Sie verkaufen ein teuer erstandenes Produkt – da kann man nicht gleichzeitig als kritische Instanz auftreten. Doch der Konflikt ist nicht unlösbar. Die Öffentlich-Rechtlichen müssen, wenigstens für eine Weile, die Finger von der Tour de France lassen. Dann können sie zu einer vernünftigen und ehrlichen Berichterstattung zurückkehren. Es hätte dann auch endlich ein Ende mit der ständigen Etappenankunft im Potemkin’schen Dorf. Der Zuschauer müsste keine Kommentatoren mehr ertragen, die um das Thema Doping herumkurven wie ein Pedaleur ums Schlagloch. Und die ARD bekäme die Chance zur Selbstreinigung.
MARKUS VÖLKER