DOKUMENTATION: Einfach zubetoniert
■ Aus dem Isolationsblock berichtet die Action Directe–Gefangene Joelle Aubron
Paris(taz) – Seit ihrer Festnahme am 21.Februar 1987 vor fast genau einem Jahr werden die vier Führungsmitglieder der französischen Untergrundorganisation Action Directe, Jean-Marc Rouillan, Nathalie Menigon, Joelle Aubron und Georges Cipriani in den jeweiligen Gefängnissen ständig überwacht. Die vier Häftlinge befinden sich seit dem Sommer in vollständiger Isolation, zuvor konnten sie sich zumindest teilweise mit anderen Gefangenen verständigen. Besuche sind nur von den nächsten Angehörigen erlaubt. Die Zellen sind eng und beschmutzt. Briefe, auch von den Eltern, haben monatelange Verspätung. Noch während ihres Hungerstreiks meldeten sich die vier Häftlinge mit Berichten aus dem Gefängnis über ihre Haftbedingungen, die von der französischen Solidaritätsgruppe „Commission Prison-repression“ veröffentlicht wurden. Aus dem Bericht von Joelle Aubron:
Verhinderung menschlicher Beziehungen, bis zu der Annahme, daß Beziehungen zur Wirklichkeit dank eines Grashalms fortbestehen könnten. Als wir (Joelle Aubron und Nathalie Menigon, d.R.) in den Isolationsblock D11R kamen, waren in den Ausgehhöfen, die jeweils für uns reserviert waren zwei schäbige Löwenzahnpflanzen übrig geblieben, die die „Harmonie“ von Beton und Gitterstäben brachen. Einen Monat später sind auch sie zubetoniert worden. Ein vielleicht lächerliches Beispiel, doch zeigt es das System, das die menschliche Integrität beeinträchtigt.
In der ersten Phase unser Haft blieb die weitgehend in Anspruch genommene Möglichkeit über Türen und Fenster hinweg mit den anderen Häftlingen in dem Block zu kommunizieren. Weil einige Mädchen zum Gespräch zu uns an die Tür kamen, wurden sie mit vier bis sechs Tagen Isolationshaft in einer Sonderzelle bestraft. So blieben uns aufgrund der Solidarität kleine „Kommunikationsräume“ erhalten, wie lächerlich klein auch immer sie waren. (...)
Dann waren unsere Partnerinnen im Block Verrückte, die Tag und Nacht entsprechend ihrer Eingebung schrien, und wie zum Zufall brachte man sie in unsere Nachbarzellen, obwohl nur vier von elf Zellen belegt waren.(...)
Die Totalisolierung, d.h. jeden Morgen die von der Nachtruhe zerstreuten Kräfte sammeln, um selbst klar der Situation zu begegnen, ohne auf Abwege zu geraten, ohne zu kapitulieren, d.h. auch sich jeden Tag, zu jeder Zeit, im Alltäglichen, der Gründe des Kampfes, der uns hierher gebracht hat, bewußt werden: die imperialistische Unterdrückung in ihrer vollen Praxis.
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