DNA im Internet: Google mein Genom

Zehn Forscher veröffentlichen von ihrem Genom bis zu ihren kulinarischen Vorlieben alles über sich im Internet - und suchen 100.000 weitere Teilnehmer für das wissenschaftliche Mammutprojekt.

Privater gehts kaum noch: Projektleiter Church mit dem Genom seines Kollegen Halamka. Bild: dpa

Peinliche Trinkbilder auf Facebook? Längst vergessene Jugendsünden bei Google auffindbar? Illegale Vaterschaftstests und gelesene Tagebücher? Alles Peanuts. Denn jetzt startet ein Projekt, das all diese Datensammlungen in den Schatten stellt: US-Wissenschaftler und Unternehmer wollen die genetischen Informationen und die Krankengeschichte von 100.000 Menschen frei zugänglich ins Netz stellen.

So stellt man sein Genom in den Dienst der Wissenschaft, hilft, Krankheiten zu behandeln und auch, eine medizinische Revolution loszutreten, von der jeder profitiert, wirbt Projektleiter George Church, Professor an der Harvard Medical School, für das Projekt.

Nur logisch, dass Church einer der ersten zehn Freiwilligen ist, die ihr Genom und persönliche Informationen in den Dienst des Projekts stellen. Genom und Krankendaten dieser Pilotgruppe stehen schon bereit, ein Teil davon wurde am Mittwoch veröffentlicht.

Die ersten zehn Teilnehmer sind allesamt Wissenschaftler und aktive Förderer des Projekts, die mit ihrem Gesicht und Namen dafür werben: Mit Kurzbiografie stehen sie schon jetzt, wo ihre genetischen Details noch nicht veröffentlicht wurden mit Foto und Kurzbiografie auf der Homepage des Projekts. John Halamka etwa, ebenfalls Forscher von der Harvard Medical School, bloggt über seine Erfahrungen mit seinem öffentlichen Genom - zum Beispiel darüber, dass er eine Mutation in seinem Erbgut und die Multiple Sklerose-Erkrankung seines Vaters.

Doch auch wenn die Pioniergruppe sich fröhlich und selbstbewusst präsentiert, um Genom und zahlreiche Angaben zu ihrer Person zu veröffentlichen, ist Privatsphäre doch ein Thema auf der Homepage, über die das privat finanzierte Projekt weitere Freiwillige sucht. Schließlich enthält das Genom zahlreiche Informationen über potentielle Krankheitsanlagen, die nicht nur die Person selbst, sondern dessen gesamte Familie betreffen kann.

Seine Tochter würde sich Sorgen machen, dass ein potentieller Freund das Genom ihres Vaters googlen könnte, bevor er mit ihr ausgeht, witzelte der teilnehmende Forscher Halamka. Projektleiter Church hingegen beruhigte gegenüber der Wissenschaftszeitschrift New Scientist: Solche Sorgen um die eigene Privatheit würden abebben, je mehr die Menschen sich an eine Flut von persönlichen, genetischen Informationen gewöhnen würden.

Schließlich stimmen die Teilnehmer zu, neben Genom und Krankheitsgeschichte Fotos, Allergien, ihren ethnischen Hintergrund und Informationen über ihren sogenannten Phänotypus öffentlich zu machen - also Angaben von Fernsehgewohnheiten bis zu kulinarischen Vorlieben.

Kein Wunder, dass die Homepage potentielle Teilnehmer warnt, sich mit den Konsequenzen dieser öffentlichen Selbstdarstellung auseinanderzusetzen. So wird dort darauf hingewiesen, dass im schlimmsten Falle die genetischen Informationen zu Problemen bei der Jobsuche oder dem Abschluss von Versicherungen führen könnte oder sie zu Verdächtigen im Zusammenhang mit kriminellen Vorfällen machen könnte.

Wem bei diesem Gedanken mulmig werde, solle nicht teilnehmen, so die Seite. Ehrlich - denn das Projekt ist ein wissenschaftliches ebenso wie ein soziales Experiment. "Wir wissen noch nicht, welche Konsequenzen es hat, wenn das Genom von Menschen offengelegt wird", gibt Projektleiter Church gegenüber der New York Times zu - aber es sei doch wert, das herauszufinden.

Und 5.000 Interessenten haben sich von all diesen Aussichten scheinbar noch nicht abschrecken lassen - und ihr Interesse angemeldet, ihre Daten für das Projekt zur Verfügung zu stellen.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.