DIE WAHRHEIT: Auf zum Steffentreffen
Die Osnabrücker Altphilologin Kongo Wiedemann über prägende Namensgebung und die Einzelperson als Randgruppe
Mit der prä- und postnatalen Namensgebung bei Kleinkindern ist das ja bisweilen so eine Sache, denn "jede Zeit hat ihre Namen", wie die Osnabrücker Altphilologin Kongo Wiedemann im Rahmen einer von der IG Schall und Rauch in Auftrag gegebenen Studie über "Dies und das" herausgefunden hat. Dass allerdings bei der Namensgebung - wenn auch unbewusst - bereits spätere charakterliche und physiognomische Merkmale berücksichtigt, ja teilweise sogar im Vorfeld prophylaktisch festgelegt werden, war der Wissenschaft bis dato noch gänzlich unbekannt, wirkt aber auf einen zweiten Blick hin dennoch ausgesprochen einleuchtend, ist unser heutiges modernes Straßenbild doch von typischen Vertretern bestimmter Namen geradezu gebrandmarkt.
"Ich möchte auf keinen Fall missverstanden werden", entschuldigt sich Wiedemann im Vorwort ihrer aktuellen Niederschrift "Der Steffen - das unbekannte Wesen": "Jedes Individuum ist natürlich absolut einzigartig und nicht zu verleugnen ein Unikat. Doch diverse Merkmale sind den unterschiedlichen Namensgruppen durchaus uniform zuzuordnen." So gilt beispielsweise der gemeine und ihrem Buch namensgebende Steffen als konstant etwa acht bis zwölf Jahre alt und übergewichtig; er trägt eine Kurzhaarfrisur, die im Nacken ein kleines blondiertes Schwänzchen beherbergt; er ist ganzjährig Gummistiefelträger und hat einen starken Hang zum Popelessen.
"Das mag vielleicht nach Klischee klingen, ist aber dennoch bundesdeutscher Alltag. Der Steffen als solcher kann in seiner Eigenschaft als Einzelperson bereits als Randgruppe bezeichnet werden. Steffens werden im Rahmen der Mannschaftswahl beim Sportunterricht teilweise sogar noch nach den Matthiasen gewählt und gelten allein aus diesem Grund bei ihren Mitschülern als eigenwillige Sonderlinge. Schon im siebten Schuljahr gehen sie mit Aktentaschen zur Schule, sind dort hauptsächlich für naturwissenschaftliche Fächer begabt und handeln sich in nahezu jeder großen Pause hinterm Jungenklo von den jeweiligen Schulgorillas ordentlich Schwitzkästen und Brennnesseln ein, von denen sie sich gewohnheitsbedingt aber auch recht schnell wieder erholen."
Auf die Frage, woher ihr Name "Kongo" denn rührt, gibt die auf den bürgerlichen Namen Gudrun getaufte Wiedemann an, dass urafrikanische Rufnamen seit je großes spirituelles Glück verheißen, sodass sie ihren vormaligen ersten Rufnamen "Verregnete skandinavische Küstenregion" schon im Alter von drei Jahren zugunsten des linguistisch weitaus geschmeidigeren "Kongo" aufgab.
"Es ist keine Schande, seinen Namen zu ändern", so die Wissenschaftlerin, "ganz im Gegenteil, mit ein wenig Überlegung und empathischer Veranlagung kann man durch einen entsprechenden Wechsel etwa die sachliche Ernsthaftigkeit seiner beruflichen Existenz untermauern und dergestalt bereits durch seinen Namen seiner Profession eine gewisse souveräne und seriöse Note verleihen. So habe ich beispielsweise erst vor einigen Wochen einem Hamburger Gynäkologen dazu geraten, seinen bis dato doch eher sperrigen Nachnamen Hugenotter zugunsten eines leicht von den Lippen kommenden und sofort die Liebe zum Beruf suggerierenden, schlichten Dr. Hook zu opfern. Und was soll ich ihnen sagen? Der Mann ist glücklich."
Damit ihren beiden Söhne später einmal erst gar nicht in die Verlegenheit einer solchen Nachbesserung kommen, hat sie bei deren Namenswahl frühzeitig darauf geachtet, ihnen sämtliche beruflichen Optionen offenzulassen und die beiden Graeyge-Swrägt und Braeyge-Ottmalzt taufen lassen: "Also jetzt nicht zusammen, sondern jeden einzeln."
Überdies versteht sich die weitsichtige Wissenschaftlerin auch als "Vereinerin", die Gruppen zusammenführt und die einzelnen Namensvettern zum speziellen Erfahrungstausch, aber auch zum ungezwungenen "Come together" in ihr Osnabrücker "Zentrum für Pferde, Holz & gegen Brand" einlädt.
"Ich möchte an dieser Stelle alle Steffens und Steffenfreunde zum gemeinsamen Namensträgertreffen am Mittwoch in zweieinhalb Monaten gegen 16 Uhr aufrufen. Ihr könnt aber auch später kommen. Für Pfützen und fettige Wurst wird gesorgt. Unterhemd und Popel sind bitte selber mitzubringen. Bei gutem Wetter fällt die Veranstaltung aus." JÖRG SCHNEIDER
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!