piwik no script img

DIE WAHRHEITBlutsauger und Müllsortierer

Wessen Idee es war, das Badezimmer zu renovieren, lässt sich im Nachhinein nicht mehr feststellen..

...Sicher, der Raum sah mit den weißen Kacheln vom Fußboden bis zur Decke aus wie ein Schlachthaus - aber eine Komplettsanierung?

Kacheln und Bauschutt sind schwer. Mein Nachbar Liam Casey half mir beim Beladen des Anhängers. Nachdem wir eine knappe Tonne Müll bewegt hatten, stellten wir fest, dass die Schutzbleche auf den Rädern des Anhängers saßen. Er ließ sich keinen Zentimeter bewegen. Das Gerümpel musste auf einen größeren, geliehenen Anhänger umgeladen werden, und das bei für Irland ungewöhnlich sommerlichen Temperaturen.

Plötzlich waren sie da: "Midges", jene fiesen, winzigen Stechfliegen. Ich war von einer riesigen Wolke umhüllt, vor der es kein Entkommen gab. Ich rannte auf die Straße, sprang über Hecken, aber die kleinen Blutsauger ließen sich nicht abschütteln. Merkwürdigerweise interessierten sie sich nicht im Geringsten für Liam. Stimmt etwas mit seinem Blut nicht?

Als wir Kacheln, Schutt und allen möglichen anderen Müll aufgeladen hatten, zählte ich rund 120 Stiche. Es sah aus, als ob ich eine ansteckende Infektionskrankheit hatte. Bei Liam, der zum Schluss noch einen alten Reifen auf den Anhänger gewuchtet hatte, machte sich der Nabelbruch wieder bemerkbar. Wir kamen uns vor wie eine besiegte Armee, als wir zur Mülldeponie fuhren. Dort hatte man sich offenbar vorgenommen, uns den Rest zu geben. Die Müllkippe ist für ein Land, in dem Kühlschränke in Bergseen, Autos in Flüssen und giftige Krankenhausabfälle in der Landschaft entsorgt werden, erstaunlich gut organisiert. Der Angestellte an der Waage inspizierte den Anhänger und schickte uns zurück zu den 15 Containern mit recycelbarem Material. Ein weiterer Angestellter passte auf, dass wir alles richtig machten.

Ob die Farbeimer, die wir gerade in den Container geworfen hatten, auch leer seien, wollte er wissen. Fast, antwortete ich und wurde dazu verdonnert, sie wieder herauszufischen und in den Container für fast leere Farbeimer zu werfen. Dann monierte er, dass Plastikbecher kein weiches Plastik seien, sondern hartes. Das sei ja wohl Ansichtssache, meinte ich. Sie seien genauso weich, wie mein Kopf es inzwischen war. Es nützte alles nichts. Jedes Mal, wenn wir auf die Waage fuhren, entdeckte der Müllsortierungsexperte noch irgendwo ein Papiertütchen, das nicht auf die Bauschutthalde durfte, und schickte uns zurück. Erst beim fünften Versuch ließ er uns durch, nachdem wir versprochen hatten, den Karton mit Betonputz auf der Bauschutthalde auszuleeren und dann in den korrekten Container zu werfen.

Stunden später war der Anhänger endlich leer. Auto und Anhänger wurden bei der Ausfahrt erneut gewogen, denn für Kacheln und Schutt muss man nach Gewicht bezahlen. Zum Schluss war mir ein kleiner Triumph vergönnt: Bei der Einfahrt hatte ich neben der Waage gestanden, bei der Ausfahrt blieb ich im Auto sitzen und wurde mitgewogen. Manchmal zahlt sich Übergewicht aus.

40.000 mal Danke!

40.000 Menschen beteiligen sich bei taz zahl ich – weil unabhängiger, kritischer Journalismus in diesen Zeiten gebraucht wird. Weil es die taz braucht. Dafür möchten wir uns herzlich bedanken! Ihre Solidarität sorgt dafür, dass taz.de für alle frei zugänglich bleibt. Denn wir verstehen Journalismus nicht nur als Ware, sondern als öffentliches Gut. Was uns besonders macht? Sie, unsere Leser*innen. Sie wissen: Zahlen muss niemand, aber guter Journalismus hat seinen Preis. Und immer mehr machen mit und entscheiden sich für eine freiwillige Unterstützung der taz! Dieser Schub trägt uns gemeinsam in die Zukunft. Wir suchen auch weiterhin Unterstützung: suchen wir auch weiterhin Ihre Unterstützung. Setzen auch Sie jetzt ein Zeichen für kritischen Journalismus – schon mit 5 Euro im Monat! Jetzt unterstützen

0 Kommentare

  • Noch keine Kommentare vorhanden.
    Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!