DIE WAHRHEIT: Die Wohlstandswurst
Der Track der Afrikaner nach Dänemark.
Um das Geschehen der vergangenen Monate in Dänemark und vor allem an den neuerdings wieder schwer bewachten dänischen Grenzen zu verstehen, muss man nach Monaco gucken. Jenem Fleckchen Europa, in dem der Monarch noch etwas zu sagen hat und der - anders als seine Kollegen in Großbritannien etwa, Spanien, Schweden oder Dänemark - es geschafft hat, sein Land von allem sauber zu halten, das die Idylle vom Bilderbuchreich stören könnte: Arme, Arbeitsscheue, Obdachlose. Nur mit den alleinerziehenden Müttern hat es nicht so hingehauen. Ein Blick auf seine Schwester Stephanie offenbart das Drama, das Fürst Albert als Tribut an die Moderne verbuchen muss.
Bis auf traurige Alleinerziehende also ist Monaco das, was sich jeder Regent wünscht: Ein blitzblanker Staat, in dem weder Getränkedosen noch menschlicher Unrat die Wege beflecken, in dem rund um die Uhr die Sonne scheint und die Menschen ohne Sorge sind. Und vor allem, ein Land, in dem der gemeine Ausländer über die nötigen Millionen verfügt, um sich niederlassen zu können. Ein Angebot für ein 30-Millionen-Euro-Appartement hängt beim Immobilienmakler ganz selbstverständlich neben dem der Billigbutze für 3,2 Millionen.
Anders in Dänemark. Scharen von Ausländern der niedrigen Einkommensschichten übermannen das Land. Vor allem aus Afrika drängen Muschelverkäufer, Bongospieler und Elefantenhirten in das Inselreich. Weil Hamlets Heimat weniger Sonne im Angebot hat (rund 1.700 Stunden im Jahr, gegenüber Monacos 2.680), statt einem azurblauen Mittelmeer viel graue Nordsee, die noch dazu alle sechs Stunden verschwindet, Wurst im Brötchen die einzig bekannte Mahlzeit ist, scheint das Land der optimale Anlaufpunkt für all diejenigen zu sein, die auch sonst nur den Zipfel der globalen Wohlstandswurst zugeworfen bekommen.
Viele derer, die an der nordafrikanischen Küste eines der maroden, häufig gänzlich seeuntüchtigen Boote betreten, buchen schon am Abreiseort bis Dänemark durch, seit Monaten sind die Wörterbücher Yoruba-Dänisch ebenso die tunesischen und die libanesische Variante von Arabisch-Dänisch vergriffen. Dänemark droht die erste europäische Außenstation Afrikas zu werden und da scheint es nur folgerichtig, dass die Dänen ihre Grenzen dichtmachen.
So weit, so egal, denken sich die urlaubenden Deutschen, die die Afrikaner auch nicht wollen, schließlich soll das Fundament ihrer viel beschworenen christlichen Kultur, das Gebot der Nächstenliebe, bitte schön vor allem bei den anderen gelten. Doch ganz so einfach ist es nicht. Seit der Einführung der Grenzkontrollen vor Kurzem kommt es zu einem unschönen Rückstau von Afrikanern an der deutsch-dänischen Grenze. Bis in die Flensburger Innenstadt hinein zieht sich seither die Schlange der Wartenden. Erste Abgewiesene haben in den öffentlichen Grünanlagen, aber auch in den Vorgärten ihre Zelte aufgeschlagen und begonnen, aromatische Speisen aus Hirse und allerlei Getier zuzubereiten.
Nun ist es nicht verwunderlich, dass sich auch bei den Germanen, die generell nichts gegen Afrikaner haben, solange sie nicht auffallen, Unmut breitmacht. Doch nicht nur gegen die Weitgereisten richtet sich die Wut, auch für die Dänen hat man wenig Verständnis, die die Sicherung ihres Wohlstandes auf dem Rücken ihrer Nachbarn zu begründen trachten.
Doch wo die Politik versagt, Bundesmutter Merkel im Geiste bei den Griechen, Landesvater Peter Harry Carstensen in der Sommerfrische, ist die Wirtschaft zur Stelle: Die Bierbrauerei Flensburger Pilsener ließ für Bürger und Touristen Tribünen fürs Public Viewing an der Grenze errichten. "Sollen doch alle was von den lustigen Fangspielen haben", so ein Firmensprecher. Da ploppt die Flasche vor Freude.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Internationaler Strafgerichtshof
Ein Haftbefehl und seine Folgen
Krieg in der Ukraine
Geschenk mit Eskalation
Umgang mit der AfD
Sollen wir AfD-Stimmen im Blatt wiedergeben?
Krieg in der Ukraine
Kein Frieden mit Putin
Warnung vor „bestimmten Quartieren“
Eine alarmistische Debatte in Berlin
Haftbefehl gegen Netanjahu
Begründeter Verdacht für Kriegsverbrechen