DIE WAHRHEIT: Scharren an Gittern
Wer der neuen 145-Cent-Briefmarke der Bundespost gewahr wird, fragt sich erschrocken: „Geht es in unseren Tierheimen drunter und drüber?“
Wer der neuen 145-Cent-Briefmarke der Bundespost gewahr wird, fragt sich erschrocken: „Geht es in unseren Tierheimen drunter und drüber?“ Auf dem Vordergrund der Marke blickt uns ein Hund schräg an, von der Decke hängt eine Katze und zwischen beiden schwimmt ein Goldfisch herum. Offensichtlich steht den Heimtieren das Wasser nicht mehr nur bis zum Hals, sondern bereits höher.
Eine hastig angestellte Recherche ergab: „Die Lage in den Tierheimen hat sich zugespitzt“ (WAZ), und auch die Wassersituation ist prekär: „Die Tierheime quellen über“ (Peta)! Weiter berichtet Peta von Aufnahmestopps in Tierheimen, da sie „der Flut an abgegebenen und ausgesetzten Tiere nicht mehr Herr werden“. Das Dog magazin heult ebenfalls auf: „Tausende Hunde warten hinter Gittern, täglich werden es mehr“, aber „es gibt Tierheime, die der Krise trotzen“.
Na, also! Gegenüber Hagenbeck in Hamburg „lebt eine zusammengewürfelte Gemeinschaft von gestrandeten Haustieren, die Underdogs, könnte man sagen“. Muss man sagen! Im Franziskusheim warten „rund 200 verwaiste Geschöpfe auf neue Besitzer“. Elternlos und besitzerlos scharren sie an ihren Gitterstäben. Geh ruhig einmal dort vorbei, lieber Leser, denn „wir nehmen keinen Eintritt“, sagt Heimleiter Frank Weber und lacht dazu verschmitzt.
Wenigstens kann er noch lachen, trotz der steigenden Anzahl von Problemfällen, von alten, kranken und verhaltensgestörten Tieren, die ohne Mikrochip und Tätowierung im Heim landen. Untätowierte Hunde? Das mag der Laie begrüßen, aber der Fachmann weiß, dass ihre verantwortungslosen Halter sich darum gedrückt haben, die Hundesteuer zu zahlen. Denn unser Finanzamt tätowiert gewissenhaft jeden Hund, der seine Steuer bezahlt hat.
Jedes Mal vor den Sommerferien sieht es in den Tierheimen aus wie auf der Briefmarke: Die Wuppertaler Tierschützer richten bereits Notunterkünfte ein, und in Köln-Dellbrück werden Büros zu Tierherbergen umgewandelt. Die WAZ schimpft: „Viele Tierheime in NRW sind überfüllt.“ Der Grund ist die „Tendenz der Unzuverlässigkeit bei Tierhaltern“. 70.000 Tiere werden schätzungsweise in den Sommermonaten ausgesetzt und im Stich gelassen. In diesen Zahlen sind die zahllosen Goldfische und Krokodile, die herzlos ins Klo gespült werden, noch gar nicht enthalten!
Zurück zu unserer aufrüttelnden Briefmarke: Sind unsere 519 deutschen Tierheime tatsächlich so artenübergreifend belegt wie auf dem Markenbild? Auch das ist überzeugend dargestellt: 85 Prozent der Heimzöglinge sind Hunde, 56 Prozent Katzen, 15 Prozent Kleintiere und ein Prozent Exoten wie Goldfische!
Das dramatische Tierheimbild auf der Briefmarke könnte in dem strengen Winter 2010 entstanden sein, als in den Heimen die Wasserleitungen platzten und Frostschäden und eingestürzte Dächer gemeldet wurden (Infowelt der Tiere). Nur einer Tiergruppe scheint es blendend zu gehen: den Nagern. Für sie bietet die Firma Fressnapf ein dreigeschossiges Kleintierheim an, das „Ecknagerheim Semiramis“ und sogar das prächtige Nagerschloss „Watzmann“ (24,99 Euro) Wer möchte da nicht Nager sein?
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