DIE WAHRHEIT: Der Brummton weicher Soziopathen
Neulich wollte ich über das neue Album von Mumford & Sons schreiben.
N eulich wollte ich über das neue Album von Mumford & Sons schreiben. War ich von ihrem Debüt noch bezaubert, ging mir nun das extrem nervöse, sich dem weißen US-Durchschnittsmassengeschmack in die Arme werfende und überall unisono als „hibbelig“ bezeichnete Banjogeschrammel so ungeheuer auf die Nerven, dass ich es keine drei Songs durchhielt.
Dann aber musste ich beim Wiederhören ihres ersten Albums feststellen, dass es da genauso zugeht. Banjogezupfe, wohin man auch hört. Ich hatte da offenbar einen tauben Fleck auf dem Trommelfell. Was aber einmal wahrgenommen wurde, kann kaum mehr ins Unwahrgenommene zurücksinken. So geht es mir derzeit mit den Katzen.
Mein Alltag ist weitgehend katzenfrei. Manchmal erspähe ich ein depressives Exemplar hinter Glas auf irgendeiner Fensterbank, wie es mir mit seinen kalten Augen folgt und vermutlich abschätzt, wie sehr ich schrumpfen müsste, damit es mit mir kurzen – oder besser: langen – Prozess machen könnte. Schließlich denken Katzen, auch die satten, hinter ihrer aufmerksamen Niedlichkeitsmaske bekanntlich selten an etwas anderes als an Mord.
Kaum aber schalte ich den Rechner ein, springen mir die Viecher förmlich ins Gesicht, eingestellt vor allem von Junggesellen beiderlei Geschlechts oder vorgeblich glücklich kinderlosen Pärchen, die ihre empathiefreien Mitbewohner verehren wie die Römer ihre Hausgötter: Katzen auf Laptops, Katzen auf Knien, Katzen am Fenster, Katzen auf dem Sofa, Katzen im Garten und Katzen auf Katzen. Es gibt bellende Katzen, sprechende Katzen („Oh, long Johnson!“) und manchmal auch miauende Katzen.
„Schaut alle her!“, ruft es: „Meine Katze! Würdevoll, anschmiegsam, unabhängig – genau wie ich!“ Wobei man nur den Dosenöffner ansetzen muss, um zu erfahren, wie es um die vielbeschworene Unabhängigkeit dieser „samtpfötigen“ Soziapathen wirklich bestellt ist. Apropos Dosenfutter: Eine Katze hat ungefähr den gleichen ökologischen Pfotenabdruck wie ein VW Golf, ohne dass man mit ihr einen Kühlschrank transportieren könnte.
Würden diese reptilienhaften Tiere alle für einen kalifornischen Konzern hergestellt, man würde die Katzenschwemme für geniales virales Marketing halten. Kauf dir eine Katze! Streichle ihr weiches Fell! Ein unbeschreibliches Gefühl, das nur von einer Plattitüdentante wie Elke Heidenreich beschrieben werden kann: „Wenn sich eine Katze wohl fühlt, kann sie ein unbeschreibliches Geräusch in ihrer Kehle rollen lassen. Es ist eines der schönsten Geräusche der Welt und man nennt es Schnurren.“
Nun ist das Phänomen nicht neu, sind über die Katzenbilder im Netz doch bereits ganze Dissertationen geschrieben worden. Angeblich erfüllt das Zeigen von Bildern der eigenen Katze eine „soziale Funktion“. Die Botschaft lautet: Ich bin zuhause zwar nicht wirklich in Gesellschaft, aber auch nicht ganz allein. Es ist eines der – nach enthemmtem Banjogefiddel – idiotischsten Geräusche der Welt. Man nennt es den Brummton der Selbstzufriedenheit.
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