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Archiv-Artikel

DIE VERSTRICKUNG DER BANKEN ZEIGT DAS AUSMASS DER STEUERAFFÄRE Organisierte Kriminalität

Die Steueraffäre hat ein neues Niveau erreicht: Nun sind auch Bankmitarbeiter ins Visier der Staatsanwälte geraten, weil sie reichen Kunden bei der Steuerflucht nach Liechtenstein geholfen haben sollen. Vielleicht ist es nicht allein dabei geblieben, nur den Geldtransfer über die Grenze zu betreuen. Jedenfalls kursiert das Gerücht, dass deutsche Banken sogar eigene Stiftungen in Liechtenstein betreiben, um Kapitalerträge am deutschen Fiskus vorbeizuschleusen.

Überraschend wäre es nicht, sollten Bankangestellte tatkräftig mitgeholfen haben, Vermögen über die Grenze zu schaffen. Denn dieser Transfer ist durchaus anspruchsvoll, wenn er keine Spuren in den Kontoauszügen hinterlassen soll. Eine schlichte Überweisung nach Liechtenstein verbietet sich jedenfalls, soll eine Steuerprüfung nicht direkt ins Verderben führen. Auch Bargeld ist längst nicht so beweglich, wie es aussieht: Wer mehr als 10.000 Euro mitführt, muss sie an der Grenze deklarieren. Für eine professionelle Steuerflucht sind Raffinesse und Spezialkenntnisse gefragt.

Da nun auch Banken oder ihre Mitarbeiter zu den Verdächtigen gehören, hat die Steueraffäre ihr erstes Stadium verlassen: In dieser Anfangsphase versuchten die Wirtschaftseliten noch, die Steuerflucht als Versagen Einzelner darzustellen. Nun zeigt sich jedoch, dass sich dieses individuelle Fehlverhalten zu einer systematischen Steuerhinterziehung verdichtet – zu einer flächendeckenden Komplizenschaft gegen den Staat. Vermutet wurde dies immer, aber bisher fehlte der Beweis.

Politisch entsteht damit neuer Handlungsdruck und gleichzeitig verschieben sich die Allianzen. Bisher haben die deutschen Banken zur Steueraffäre weitgehend geschwiegen. Das können sie sich nicht länger leisten. Schon um ihre Glaubwürdigkeit zu retten, müssen sie nun verlangen, dass die Steueroasen ausgetrocknet werden.

Wenn man so will, gehört das auch zu ihrer Fürsorgepflicht: Die Banken können ja nicht wollen, dass ihre Mitarbeiter immer wieder der Versuchung ausgesetzt werden, illegale Geldtransfers zu unterstützen. ULRIKE HERRMANN