DIE USA SIND SELBST SCHULD, DASS ALLE WELT DIE KORAN-GESCHICHTE GLAUBT : Nichts ist unmöglich
Irgendein Skandal ist das – aber welcher? Nachdem das US-Nachrichtenmagazin Newsweek jetzt seinen Bericht relativiert hat, nach dem in einem internen Untersuchungsbericht des US-Militärs davon berichtet würde, wie US-Soldaten in Guantánamo eine Ausgabe des Koran in einer Toilette heruntergespült hätten, herrscht Verunsicherung. Ist es ein Armeeskandal um die Verächtlichmachung des Koran oder ist es ein Medienskandal um die Veröffentlichung falscher Informationen?
Insider, die Informationen nur unter der Bedingung abgeben, als Quelle nicht genannt zu werden, sind seit je ein Kernstück des Enthüllungsjournalismus, nicht nur in den USA. Vor der Gefahr, dabei Partikularinteressen ihres Informanten oder schlicht Falschinformationen aufzusitzen, sind Journalisten dabei nie völlig gefeit – und sie neigen mitunter zu Fahrlässigkeit, wenn die Information sich passgenau in die politische Landschaft zu fügen scheint. Davon jedoch kündet der Teilrückzieher, den Newsweek jetzt vollzieht, gerade nicht, jedenfalls noch nicht. Der Informant, heißt es, sei sich nur nicht mehr sicher, von dem beschriebenen Vorgang tatsächlich in dem zitierten Bericht des US-Südkommandos gelesen zu haben, es könne womöglich auch in einem anderen Dokument gewesen sein. Das ist journalistisch zwar peinlich. Doch der logische Versuch des Pentagon, nun gleich wütend die gesamte Geschichte für unglaubwürdig zu erklären, wirkt absichtsvoll übereilt.
Seit mindestens zwei Jahren berichten Guantánamo-Gefangene von ähnlichen Vorkommnissen. Die Vorwürfe werden von den US-Behörden stets mit dem Hinweis auf Al-Qaida-Handbücher zurückgewiesen, in denen gefangenen Mitgliedern empfohlen werde, solche Anschuldigungen zu machen. Dass kaum jemand die jüngsten Vorwürfe per se für unglaubwürdig hält, zeigt, wer in diesem Propagandakrieg bislang den Kürzeren gezogen hat. Und daran, so viel ist sicher, sind nun nicht die Medien schuld, sondern erwiesenes Fehlverhalten der US-Einheiten – von Abu Ghraib bis Guantánamo. BERND PICKERT