DIE US-POLITIK GEGENÜBER EUROPA SETZT AUF PARTNERSCHAFT: Strahlemann Clinton
„Wie ein Laserstrahl“ hatte er sich auf die Innenpolitik konzentrieren wollen, hatte Bill Clinton vor seinem Amtsantritt 1993 versprochen. Außenpolitiker in Europa und Amerika sahen dürftige Zeiten heranbrechen, Zeiten, in denen die USA sich in ihrem sprichwörtlichen Provinzialismus verlieren würden. Es kam ganz anders.
Schon zu Beginn seiner Amtszeit setzte Bill Clinton die nordamerikanische Freihandelszone Nafta gegen erheblichen Widerstand aus seiner eigenen Partei durch. Dann reiste der US-Präsident nach Seattle, um sich mit den Staats- und Regierungschefs der asiatischen Anrainerstaaten zu treffen und seine Vision einer asiatischen Handelsgemeinschaft zu verkünden. Clinton schien Amerikas Außenpolitik aus seiner europäischen Verankerung lösen und auf Südamerika und Asien ausrichten zu wollen. Aber das Engagement des US-Präsidenten für Frieden in Irland und auf Zypern, für die Erweiterung der Nato sowie für die Aufnahme der Türkei und Norwegens in die EU, für das Eingreifen der Nato auf dem Balkan und für eine Einbindung Russlands in die Weltpolitik, die weit über Russlands Bedeutung hinausgeht, widersprachen dieser Vorstellung. Alles in allem war Clinton ein erfolgreicher Außen- und Europapolitiker.
Das gemeinsame Vorgehen Amerikas und Europas auf dem Balkan festigte sowohl die Nato wie die EU, sowohl den europäischen Zusammenhalt wie die transatlantischen Beziehungen. Hinter den Differenzen um europäische Bananenimporte und amerikanische Rindfleischexporte, um Raketenabwehr und europäische Verteidigungsidentität wird eine wichtige Modifizierung amerikanischer Außenpolitik Europa gegenüber übersehen. Hatten die USA es in erster Linie mit einzelnen europäischen Partnern zu tun, so hat sich inzwischen ein Wandel vollzogen. Mit seiner Reise zum EU-Gipfel nach Lissabon demonstriert Clinton, dass die USA die Europäische Union stärker als Partner akzeptieren. Und dass Clinton der EU jetzt auch eine sicherheitspolitische Rolle einräumen will.
Amerika befindet sich im Wahlkampf, und im Wahlkampf spielt die Außenpolitik der USA in der Regel eine untergeordnete Rolle. Eines der wichtigen Themen dieses Wahlkampfs, die Raketenabwehr, ist denn auch eher als innenpolitischer Zankapfel zu sehen. Es gibt wenig Anzeichen dafür, dass sich unter der Präsidentschaft der beiden möglichen Nachfolger Clintons im Weißen Haus etwas an der außenpolitischen Haltung der USA gegenüber Europa ändern wird. PETER TAUTFEST
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen