DIE ULTRARECHTEN IM EU-PARLAMENT DÜRFEN NUN EINE FRAKTION BILDEN : Einheitsfront der Nationalisten
Den frisch gewählten EU-Parlamentspräsidenten Hans-Gert Pöttering zeichnet aus, dass er einen bunten Politikerhaufen mit viel diplomatischem Geschick zusammenhalten kann. Diese Fähigkeit stellte er in den vergangenen zweieinhalb Jahren als Chef der konservativen EVP-Fraktion unter Beweis. Doch der Preis, den der deutsche Europapolitiker dafür zahlte, die EVP zur stärksten Fraktion zu machen, war hoch. Er musste Angehörige von Berlusconis Forza Italia ebenso in seinen Reihen willkommen heißen wie tschechische Parteifreunde des EU-Gegners Václav Klaus oder britische Torys, die Großbritannien am liebsten aus der EU herauslösen würden.
Formal agierte Pöttering korrekt: Die Statuten des Europaparlaments gestatten die Fraktionsbildung auch unter einem löcherigen Dach. Das haben sich nun auch die zwanzig Ultrarechten zunutze gemacht, die unter dem Namen „Identität, Tradition und Souveränität“ Fraktionsstatus beantragten, um so mehr Stimmen, mehr Redezeit und mehr Posten zu bekommen. Sozialistenchef Martin Schulz hatte gefordert, ihnen diesen Status aufgrund fehlender inhaltlicher Gemeinsamkeiten zu verweigern. Das Parlament war aber klug beraten, ihm nicht zu folgen. Es hätte dem neuen Fraktionsvorsitzenden, dem notorischen Holocaust-Leugner Bruno Gollnisch von der Front National, eine wunderbare Gelegenheit geliefert, sich als Märtyrer zu präsentieren.
Natürlich muss es das Ziel der demokratischen Fraktionen sein, die Rechtsnationalen von wichtigen Positionen und repräsentativen Aufgaben möglichst fernzuhalten. Das muss aber mit legalen Mitteln geschehen. Hans-Gert Pöttering sollte als neuer Parlamentspräsident darauf hinarbeiten, dass politische Gruppen in Zukunft nur dann Fraktionsstatus beantragen dürfen, wenn sie eine gemeinsame inhaltliche Grundlage haben. Dann wüssten die Wähler besser, worauf sie sich einlassen, wenn sie bei der nächsten Europawahl ihr Kreuzchen machen. Seine konservative Fraktion würde sich dann allerdings von vielen Mitgliedern verabschieden müssen. DANIELA WEINGÄRTNER