piwik no script img

Archiv-Artikel

DIE TAZ FEIERTE EINE WEIHNACHTSPARTY UND ZU HAUSE GAB ES LIEBE Ein Sofa im Winter

VON RENÉ HAMANN

Im „Sofa“ ist es gemütlich. Aber im „Sofa“, Ende der Ohlauer Straße in Nähe der Hobrechtbrücke und von Mobiliar und Ambiente her im Stil des Prenzlauer Berges ca. 2003, fand am Freitag eine Weihnachtsfeier statt, daher mussten wir wieder zurück in die Baba Bar, um dort das Spiel zu sehen und uns für die Weihnachtsfeier dieser Zeitung etwas Mut anzutrinken und warm zu reden. Das Sofa, so viel sei noch gesagt, ist die legitime Nachfolgerin des seligen „Mona Lisa“; ein Café, das ideal zum Fußballgucken ist und auch gleich wieder die meisten der alten Stammgäste versammelt. Nur eine Scaloppa Milanese war nicht zu bestellen – keine Küche.

Das Spiel war eher mau. Die Stimmung in der Baba Bar, trotz des Namens eine Bar betrieben von Exilkölnern der angenehmen Sorte, also weder à la rheinische Frohnatur noch so linke Kulturschickeria, war ob des Wetters und des Endstands recht gedämpft.

Im Taxi ging es dann Richtung Potsdamer Platz. Vor uns ein Hausfrauenpanzer der Marke Porsche, der beim Anfahren immer schön aufröhrte wie ein Chor aus Hirschen. Zwanzig Meter Vollgas bis zur nächsten Ampel. „Hatte ich auch mal unterm Fuß, so’n Wagen“, sagte unser Taxifahrer, ein junger Mann mit dem üblichen Hintergrund, in einer Mischung aus Ehrfurcht, Respekt und Misskredit. „Is Hammer.“

Das „Habemus Papam“, das in echt „Homebase“ heißt, eigentlich eine Party-Lokation für Berlinale-Gäste, ist zu dem Zeitpunkt bereits voll, das Buffet leergegessen, und vor der einzigen Garderobiere, die hier Nachtschicht macht, hat sich eine kleine Schlange gebildet. Die Bedienungen, die die Getränke frei herausgaben (ja, unsere kleine Zeitung ist gut zu ihren Mitarbeitern), kommen mit der Arbeit ohne Trinkgeldmöglichkeit allerdings nicht gleich klar. Oder wie ist es sonst zu erklären, dass ich mit dem ersten Bier gleich ein „Danke“ erhielt?

Danach war es zunächst gepflegtes Ausgehen und Rumstehen. Bier in der Hand, Rauchwolken auspaffen, gucken. taz-Weihnachtsparty also, heikles Terrain, wegen Interna und so, hoher Meet-&-Greet-Faktor, sehen und gesehen werden, und die offenen sozialen Fragen: Wer ist mit wem da, wer unterhält sich mit wem, und wer wird von wem geschnitten. Aber der Socialisingdruck löste sich dann relativ schnell in Wohlgefallen auf. Alkohol floss reichlich, Skandale blieben aber weitgehend aus. Gutes, faires Amüsement stand im Vordergrund. Die Musik war anfangs eher weich und für den Anlass fast eine Spur zu ambitioniert – immerhin brillierte der neue Spex-Chef an den Reglern mit perfekten Übergängen, die er mit einer beneidenswerten Todesruhe bewerkstelligte.

Übergangskunst fiel bei seiner Nachfolgerin an den Decks dann weitgehend flach, Klangkunst erst recht – die geschätzte D. spielte MP3s ab, schön blechern, musikalisch auch recht trashig, aber egal: Es funktionierte, der Meute gefiel’s. Es kam sogar zu Standing Ovations, nachdem sie, das muss man sich mal vorstellen, „Über sieben Brücken musst du gehen“ von Peter Maffay hat laufen lassen! Muss irgendwie geschichtliche, politische oder biografische Gründe haben, ich weiß es nicht. Ich gebe aber gleich zu: Ich habe auch zu allerhand getanzt. Zu Balkanbeats, die ich eigentlich abgrundtief verachte; zu Lenny Kravitz; und wohl zum ersten Mal seit zwanzig Jahren zu „Rhythm is a Dancer“ von Snap! Warum auch nicht. Man muss das Stumpfe auch mal feiern können. Oder so: Ich bin wohl doch nicht umsonst im Rheinland aufgewachsen.

Der Samstag bestand dann eher aus einem echten Sofa, das nicht minder gemütlich war. Und einem privaten Diskurs über Hirnforschung und Ideologie; ein privates ZDF-Nachtstudio gewissermaßen, mit dazu haufenweise Liebe. Sofas sind Liebe. So ist es, im Winter.