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Archiv-Artikel

DIE STIMMEN DER ANDEREN

■ Der Standard (Wien)

Wulffs Fehler

Das Unangenehme ist jetzt erledigt, und 2012 ist die Darlehensaffäre bloß noch eine aus dem vergangenen Jahr. Ob diese Rechnung aufgeht, ist allerdings fraglich. Das Krisenmanagement in der Kreditcausa war verheerend. Selbst seine reichlich softe Entschuldigung brachte Wulff erst nach zehn Tagen über die Lippen. Details hat er immer erst dann eingeräumt, wenn sie ohnehin schon in den Zeitungen standen. Auch wenn Wulff sich mit seiner späten Erklärung eine Atempause verschaffen kann, eines ist klar: Wenn jetzt noch irgendeine gravierende Verfehlung auftaucht, dann wird ihn keine Entschuldigung mehr retten.

■ Die Presse (Wien)

Kein Befreiungsschlag

Ein Befreiungsschlag ist Wulff mit seinem denkbar kurzen Quasi-Mea-culpa nicht gelungen. Es kam viel zu spät. Und von Geradlinigkeit ist nach wie vor keine Spur. Das einzige „Geradlinige“ in Berlin Bellevue war an diesem Tag der Rücktritt des Präsidentensprechers. Doch der ist das falsche Opfer. Die Verfehlungen des Chefs nicht ausreichend zu beschönigen, kann nicht schlimmer sein als die Verfehlungen selbst.

■ Thüringer Allgemeine

Vertrauen aufgebraucht

Christian Wulff ist kein Bundespräsident, dem man vertrauen kann. Er ist nur noch der Amtsträger. Am Ende seiner gestrigen Stellungnahme wirbt er in fast flehendem Ton um das Vertrauen der Menschen in ihn und seine weitere Amtsausübung. Doch wie soll man jemandem vertrauen, der nichts von sich preisgibt, der mit durchschaubarer Rhetorik auf Vorwürfe eingeht, ohne diese im Kern auszuräumen? (…) Sicher, Schloss Bellevue soll kein Taubenschlag werden, in dem ein Kommen und Gehen an der Tagesordnung ist. Aber es will auch niemand ein flehendes Staatsoberhaupt, das sich an sein Amt klammert und um das Vertrauen der Menschen buhlt.

■ Neue Zürcher Zeitung

Keine Staatsgefährdung

Das Problem in der Affäre Wulff besteht darin, dass die deutsche Landespolitik viel mehr als die Bundespolitik in einem engen Geflecht von Wirtschaftsinteressen und politischem Handeln stattfindet. Oft ist dabei die Grenze zwischen Erwünschtem und Unerlaubtem unscharf. Aber eine Entourage von einflussreichen Wirtschaftsfiguren ist allein noch kein staatsgefährdendes Risiko. Aus den bis jetzt erkennbaren Vorwürfen lässt sich ein solches auch kaum nachweisen. Man wird den Eindruck nicht los, dass mit der reichlich trivialen Affäre um den Bundespräsidenten letztlich seine politische Mentorin, die Bundeskanzlerin, getroffen werden soll. Es spricht für diese, dass sie sich bis jetzt aus diesem vorweihnachtlichen Theater herausgehalten hat.

■ Der Tagesspiegel

Hannoversche Mischpoke

Nicht alles, was juristisch rechtens ist, ist auch richtig - wie wahr. Ob Wulff diesen seinen Satz übrigens in seiner ganzen Bedeutung erfasst hat, ist noch schwer zu sagen. So weit ist er nämlich nicht gegangen, dass er sich für den distanzlosen Umgang mit jener hannoverschen Mischpoke entschuldigt hätte, über die wir dank seiner Hinhaltetaktik jetzt auch mehr wissen, als wir je wissen wollten. Christian Wulff wird also Bewohner des Schloss Bellevue bleiben. Bis er wieder Bundespräsident sein kann, also ein Mann, dem nicht nur das Protokoll Autorität und Respekt verleiht, das wird dauern.

■ Westdeutsche Zeitung

In Würde zu Ende bringen

Auch wenn Wulffs Entschuldigung nur bedingt überzeugte und er weiterhin zu zögerlich aufklärt – die gestrige Ansprache dürfte genügen. Die Diskussion wird sich versachlichen, Wulff wird seine Amtszeit ehrenhaft zu Ende bringen. Ob er danach eine Wiederwahl schafft, ist allerdings sehr fraglich.

Quelle: dpa