DIE SOZIALDEMOKRATEN HABEN DEN ANSCHLUSS AN DIE REALITÄT VERLOREN : Die SPD, ein einziger Jammer
Parteitage der SPD sollten hinter verschlossenen Türen stattfinden. Das wäre nur konsequent, denn Aufregendes mitzuteilen hat das höchste Parteiorgan der Öffentlichkeit schon lange nicht mehr. Die Beschlüsse, die bestenfalls für die sozialdemokratischen Funktionäre von Belang sind, könnten per Pressemitteilung bekannt gemacht werden, das würde genügen. Kurt Beck ist mit 95 Prozent zum neuen neuen SPD- Chef gewählt worden – mehr gibt es zum ersten Parteitag des Jahres 2006 nicht zu sagen.
Was für eine Bomben-Nachricht!
Was ist in den letzten Jahren nur aus der intellektuell anregenden und diskussionsfreudigen SPD geworden. Ein im wahrsten Sinne des Wortes geistloser Verein, der den Anschluss an die Realitäten des 21. Jahrhunderts ebenso verloren hat wie an die gesellschaftlichen Debatten darüber. Eine Partei von Duckmäusern und Jasagern, die nichts mehr fürchtet als eine Auseinandersetzung auf offener Bühne. Dieses Land erlebt eine in ihrer Nachkriegsgeschichte nie da gewesene soziale Spaltung – doch davon ist ausgerechnet in der Sozialdemokratie nichts zu spüren. Sie hat ihre Reihen fest geschlossen. Sie schottet sich ab. Und ihr neuer Vorsitzender beschreibt in seiner bestürzend schlichten Rede eine Kleine-ehrliche-Leute-Republik, die es schon lange nicht mehr gibt. Die Partei, die einst angetreten war, gerade den sozialen Verlierern eine Perspektive zu bieten, lässt diese heute einfach links liegen.
Eine zur reinen Symbolik degenerierte Reichensteuer? Der Streit darüber pünktlich zum Parteitag abgeblasen. Repressive Verschärfungen von Hartz IV? Lediglich ein paar kritische Einwürfe in der Fraktion. Benachteiligung der Arbeitslosen beim Elterngeld? Kein sozialdemokratisches Thema. Stattdessen langweilt die Mitte-Partei das Publikum mit einem „Koalitionsstreit“ über Pillepalle: Wer denn wohl mehr Entscheidungsfreude besitze: Union oder SPD? Und daraus leitet sie auch noch sozialdemokratisches Profil ab. Sie kippt diese Belanglosigkeit sogar in einen Leitantrag. 475 Delegierte klatschen. Dabei ist es einfach nur traurig. Es ist erschütternd.
Es ist ein einziger Jammer. JENS KÖNIG