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DIE REGIERUNG MUSS DIE PATENTIERUNG DES LEBENS KONTROLLIERENEthisch nicht vertretbar

Der Präsident des Europäischen Patentamtes (EPA) hat Recht: Für den gesetzlichen Rahmen bei der Biotechnologie ist der nationale Gesetzgeber zuständig. Warum aber, so muss sich der EPA-Präsident fragen lassen, hat seine Behörde – ohne den Auftrag bekommen zu haben – in den letzten Jahren immer mehr Patente für fast alle Lebewesen vergeben? Erst nur für Bakterien, später für Pflanzen, danach für Tiere. Mittlerweile sind wir bei den Zwitterwesen und menschlichen Embryonen angelangt.

Zwar heißt es, die neuen Vorschriften, die EU-Patentierungsrichtlinie und auch das geplante deutsche Patentgesetz, würden derartige Patente nicht zulassen. Tatsache aber ist: Diese Regelungen sind mit Absicht vage formuliert. Ja, sie sind löchrig wie ein jahrzehntelang getragenes Hemd und lassen den Patentämtern einen riesigen Freiraum, die politischen Vorgaben nach ihren eigenen Vorstellungen zu interpretieren.

Warum sind, um ein Beispiel zu nennen, Patente nur für Embryonen verboten, die einem kommerziellen und industriellen Zweck dienen? Wenn man keine Embryonen-Patente wollte, wäre es doch ein Leichtes, in das Gesetz klar und deutlich zu schreiben: Die Patentierung von Embryonen ist verboten. Punkt! Und sonst nichts. Keine Frage also, der Gesetzgeber muss das Patentamt endlich in die Schranken verweisen. Doch die Zeichen zeigen in eine andere Richtung.

Das rot-grüne Bundeskabinett hat vor kurzem beschlossen, die EU-Richtlinie mit all seinen Interpretationsspielräumen in nationales Recht umzusetzen, die Grünen mit laut hörbaren Bauchschmerzen. Aber das Gesetz ist jetzt auf den Weg gebracht. Die Bundesregierung hat damit auch beschlossen, die ständigen Grenzüberschreitungen und Tabubrüche des EPA in den letzten Jahren nachträglich zu legitimieren.

Jetzt wird sich im Bundestag entscheiden, ob die Mehrheit der Abgeordneten sich der Parteiräson beugen wird oder ob die Volksvertreter gewillt sind, der Patentierung des Lebens klare Grenzen zu setzen. Wenn dies nicht geschieht, sind die Folgen bereits abzusehen: Wir werden uns in Zukunft auch weiterhin mit ethisch nicht vertretbaren Patenten auseinander setzen müssen. Gerade im Zusammenhang mit der am Horizont aufziehenden Stammzellforschung wird es in naher Zukunft eine ganze Reihe von Patentanträgen geben, mit denen Embryonen unter Verwertungsschutz gestellt werden sollen. Zu Sicherung der Investitionen und des Forschungsstandortes Deutschlands werden dann die Grenzen des Erlaubten und ethisch Vertretbaren auch weiterhin Stück für Stück verschoben.

WOLFGANG LÖHR

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