DIE REFORM DER ERBSCHAFTSTEUER GEHT IN DIE VÖLLIG FALSCHE RICHTUNG : Politik nach biologischem Prinzip
Im deutschen Bildungssystem gilt es schon, bei der Auswahl der Eliten ebenfalls und in der Demografiedebatte sowieso: Das Prinzip der biologischen Abstammung bestimmt in Deutschland ganz entscheidend über die Zuteilung von Lebenschancen. Nun soll es bei der Reform der Erbschaftsteuer keinesfalls abgemildert, sondern sogar weiter ausgebaut werden. In den Verhandlungen zwischen Union und SPD zeichnet sich ein Kompromiss ab, wonach die leiblichen Kinder wohlhabender Eltern selbst größte Vermögen nahezu steuerfrei übernehmen können, während Erben mit fremden Genen erheblich mehr zahlen sollen als bisher.
Mit dem erklärten Willen, „Omas Häuschen“ unangetastet zu lassen, lässt sich dieses Missverhältnis nicht begründen. Dafür hätte es völlig ausgereicht, einfach nur den Grundfreibetrag anzuheben. Die Koalition plant jedoch, auch Vatis Zehnfamilienhaus nicht höher zu besteuern als bisher und Muttis millionenschweres Wertpapierdepot im Nebeneffekt sogar wesentlich geringer – das alles freilich nur bei Verwandten „ersten Grades“, also Ehepartnern oder Kindern. Wer nicht zu diesem Personenkreis gehört, soll dafür die Zeche zahlen. Etwa lesbische oder schwule Paare, die steuerrechtlich als völlig Fremde gelten und Zehntausende von Euro berappen müssen, wenn der überlebende Partner in der gemeinsamen Eigentumswohnung bleiben will.
Aber selbst wenn die Koalition bei der Homo-Ehe nachbessert, bleibt die Grundrichtung der Reform falsch. Ganz gleich, ob man prinzipiell eine hohe oder niedrige Erbschaftsteuer favorisiert. Ob man dem Erblasser die freie Verfügung über sein hart erarbeitetes Vermögen überlassen will – oder jeden Erben für einen Nichtsnutz hält, der einen unverdienten Vorteil einstreicht. Wer von einem unbekannten Onkel 10 Millionen Euro erbe, so wird aus Koalitionskreisen kolportiert, der könne ruhig die Hälfte abgeben. Der „unbekannte Onkel“ ist aber nicht der typische Fall. In einer modernen Gesellschaft sind die sozialen Beziehungen längst nicht mehr nach dem Prinzip der biologischen Abstammung organisiert, jedenfalls nicht nur. Deshalb sollte auch der Staat alle Erben gleich behandeln. RALPH BOLLMANN