DIE OZONWERTE STEIGEN, WEIL REGIERUNG UND AUTOINDUSTRIE NICHTS TUN : Fahrlässige Körperverletzung
Es ist schon fast ein Sommerritual: Mit der drückenden Hitze steigen täglich die Ozonwerte. Doch die Folgen des Atemgiftes in der Luft nehmen viele nur noch resignierend hin. Allergien, Kopfschmerzen und Hustenreiz plagen viele. Am besten soll man draußen keinen Sport treiben, raten die Behörden. Was soll man schon dagegen tun?
Einiges. Die Ursachen des Ozonproblems und seine Lösungen sind längst bekannt. Das Gas bildet sich, wenn Stickstoffdioxid (NO2) aus den Autoabgasen und Sauerstoff in der Luft unter dem Einfluss von UV-Strahlen reagieren. Der größte Verursacher des Reizgases sind Dieselfahrzeuge. Benziner gelten nicht als NO2-Schleudern, denn ihr Dreiwegekatalysator verwandelt das Gas in gewöhnlichen Stickstoff. Die Technik, um NO2 bei Dieselmotoren zu neutralisieren, ist längst entwickelt. Mercedes hat sie schon heute für Lkws unter dem Namen „Bluetec“ im Einsatz. Kaufen kann man die Technik in Deutschland aber noch nicht. Natürlich, möchte man schon fast sagen, denn wie beim Dieselrußfilter sieht die Autoindustrie auch bei der Ozonvermeidung keinen dringenden Handlungsbedarf. Umwelttechnik in Autos verteuert in ihren Augen in erster Linie die Autos. Das könnte die Gewinne schmälern und muss deshalb vermieden werden.
So kurzsichtig denken viele Autolobbyisten, wie die unsägliche Geschichte des Dieselrußfilters beweist. Bis heute machen die Finanzminister der CDU-geführten Länder gegen die steuerliche Förderung des Rußfilters mobil – im Hintergrund stehen ihnen Autohersteller hilfreich zur Seite. Ihr offensichtlicher Unwille, Umwelttechnologien in Fahrzeugen einzuführen, grenzt an fahrlässige Körperverletzung. Und mehr: 8.000 Menschen erkranken jedes Jahr durch Dieselruß in Deutschland an Krebs.
Ähnlich wie beim Dieselruß wurden auch die Gefahren von Ozon stark untertrieben. Wie gefährlich das Umweltgift wirklich ist, zeigte jüngst eine Studie der Universität Athen. Die Analyse der Gesundheitsdaten von 60 Millionen Europäern hat gezeigt, dass schon 10 Mikrogramm Stickstoffdioxid pro Kubikmeter Luft messbar mehr Menschen sterben lassen. 100 Mikrogramm mehr Ozon erhöhen die Sterberate um 4 Prozent. In deutschen Ballungsräumen bezahlen jährlich mindestens 1.000 Menschen die Folgen des Reizgases mit ihrem Leben.
Für den Kampf gegen Ozon könnten die Erfolge gegen das Rauchen ein Vorbild sein. Wenn der gesellschaftliche Wille da ist, dann wird die Politik vielleicht nicht wieder die gleichen Fehler begehen. Sie wird damit aufhören, das Risiko klein zu reden und sich jahrelang von der Industrie an der Nase herumführen zu lassen. Aber auch jeder Käufer eines Diesels sollte seinem Autohändler eines klar machen: Autos, die nicht dem Stand der Technik entsprechen, will niemand kaufen – das gilt gerade für Umwelttechnik. TARIK AMHIA