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DIE OPPOSITION VON OBEN

■ Neue Leitung und neuer Spielplan an den Staatlichen Bühnen Berlin

Gleich mit drei Klassikerinszenierungen will das neue Leitungsgremium der Staatlichen Schauspielbühnen Berlin seine erste Spielzeit beginnen: Johann Wolfgang von Goethes Faust, Friedrich Schillers Die Räuber und William Shakespeares Romeo und Julia eröffnen etwas später als üblich Ende Oktober die neue Saison. Das gaben die Nachfolger von Generalintendant Heribert Sasse Alfred Kirchner (Generaldirektor), Alexander Lang (Künstlerischer Direktor), Vera Sturm (Leitende Dramaturgin) und Volkmar Clauß (Geschäftsführender Direktor) am Montag bekannt.

Mit festen Regisseuren, Bühnenbildnern und Schauspielern wollen die vier den Staatlichen Bühnen einen „unverwechselbaren, möglichst persönlichen Ausdruck“ geben, so Alfred Kirchner. Das Theater sei für ihn kein Ort für „Totengesänge, sondern Ausdruck von Hoffnung und Utopie“.

Nach ausgiebigen Reisen durch die deutschsprachige Theaterlandschaft ist das Ensemble mit 83 Mitgliedern, davon 38 Neuzugängen, komplett. 30 Verträge wurden nicht verlängert, das Ensemble verjüngt. Regie führen werden bekannte Theaterleute wie George Tabori und Katharina Thalbach, Lang und Kirchner sowie Neulinge wie Airan Berg, Peer Martiny, Günther Gerstner und Elke Lang. Die Schauspieler werden verstärkt von früheren Mitgliedern des Wiener Burgtheaters, darunter Wiebke Frost, Anneliese Römer und Thomas Wolff, und Darstellern aus der DDR. Mit dieser Neubesetzung wollen die vier den „guten klassischen Gedanken des Ensembletheaters verwirklichen und den Schauspielern Rollen bieten, an denen sie wachsen können“, so Lang.

Der neue Spielplan mischt Klassik mit unbekannten Autoren und soll Tradition und zeitgenössisches Theater verbinden. In „größerem Zusammenhang“ will Vera Sturm das Konzept sehen: Aufbruchsituationen, neue Wege und gescheiterte Ideale kennzeichneten die Stücke. In den „Radau über die deutsch-deutsche Geschichte“ wolle man nicht einstimmen, sondern „Fragen stellen“. Der Spielplan soll sich durch „Anmut und Grazie im Geist“ auszeichnen und das Theater auch die „Rolle der Opposition übernehmen“. Im übrigen sei „vieles offen“, so Vera Sturm über neue Ansprüche.

Kritik übte Kirchner an der schlechten technischen Ausstattung der Theater, die nicht ihrer Bedeutung entspreche. Schwierig fand er, hierfür in Berlin offene Ohren zu finden. Forderungen würden mit dem Argument zurückgewiesen, die Stadt habe andere Probleme. Kultursenatorin Anke Martiny (SPD) bestritt, daß der Senat „kulturunfreundlich“ sei, und wies auf die künftige Situation hin, wenn auch Ostberliner Theater gefördert werden wollten.

Aus finanziellen Gründen wird die Saison erst am 18. Oktober eröffnet mit einem Schillerabend unter dem Titel Der schwere Panzer wird zum Flügelkleide..., inszeniert von Kirchner. Am Tag darauf spielt Bernhard Minetti unter der Regie Langs Grimmsche Märchen, einen Tag später gefolgt von Kirchners Faust-Inszenierung. Lang beendet die Eröffnungswoche mit Schillers Die Räuber am 21.Oktober.

Romeo und Julia in der Neuübersetzung von Thomas Brasch und der Regie von Katharina Thalbach hat am 3. November Premiere. Brasch will außerdem ein Stück schreiben, das eventuell am gleichen Abend uraufgeführt werden soll. Ebenfalls im November steht als Wiederaufnahme einer Tabori -Inszenierung für die Wiener Festwochen 1988 Braschs Frauen . Krieg . Lustspiel auf dem Spielplan.

Als heiteres Element wird im Dezember der Schwank Weekend im Paradies in der Regie von Günther Gerstner gespielt. Als deutsche Erstaufführung inszeniert Kirchner für Februar Peter Turrinis Kolportage Tod und Teufel, die am Wiener Burgtheater uraufgeführt wird. An Uraufführungen stehen weiter im Programm Reiner Gross‘ Stück Nacht, eine Liebeserklärung an Berlin, sowie ein neues Werk von Tabori.

Nicht nur ein Beitrag zum Mozart-Jahr soll die Produktion von Der Schauspieldirektor nach Wolfgang Amadeus Mozart und Anton Tschechows Der Schwanengesang in Zusammenarbeit mit der Deutschen Oper Berlin im Mai darstellen. Frank Wedekinds Frühlingserwachen über das Tabuthema des sexuellen Mißbrauchs von Kindern kommt im Juni als letzte Premiere der Spielzeit auf die Bühne des Schiller -Theaters. In Planung sind unter anderem Stücke von Volker Braun, Thomas Bernhard und Herbert Achternbusch.

dpa

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