DIE KURDEN SIND IM TÜRKISCH-AMERIKANISCHEN KONFLIKT DIE DUMMEN : Machtdemonstration der USA
Was im Vorfeld des Irakkrieges begann, hat jetzt seinen vorläufigen Höhepunkt erreicht: die Krise in den türkisch-amerikanischen Beziehungen. Statt über diplomatische Kanäle einen Interessenkonflikt auszuräumen, hat die US-Armee einfach eine Einrichtung eines Nato-Partners hochgenommen und dabei 24 Leute festgesetzt. Dieses Vorgehen gegen Angehörige befreundeter Streitkräfte ist in der Nato-Geschichte wohl ohne Beispiel. Da die Aktion nicht das Ergebnis eines zufälligen Zusammenstoßes, sondern offenkundig sorgfältig geplant war, handelt es sich um eine klare Machtdemonstration. Die Botschaft an die türkische Regierung ist eindeutig: Zieht euch endlich aus dem Nordirak zurück.
Seit das Parlament in Ankara sich im Vorfeld des Irakkrieges geweigert hatte, türkisches Territorium für einen US-Aufmarsch im Nordirak zur Verfügung zu stellen, sind die türkischen Aktien im Pentagon dramatisch gefallen. Erst vor ein paar Wochen hatte der amerikanische Chefideologe des Pentagons, Vizeverteidigungsminister Paul Wolfowitz, öffentlich deutlich gemacht, dass er und sein Chef Rumsfeld speziell vom türkischen Militär schwer enttäuscht sind. Die hätten das Parlament rechtzeitig zur Räson bringen müssen. Seitdem herrscht zwischen den Militärs beider Seiten Eiszeit. Eine US-Anfrage vor zwei Wochen, türkische Truppen zur Verstärkung der Besatzungstruppen in den Südirak zu schicken – die Rede ist von 1.500 Mann – ist von Ankara erkennbar zurückhaltend beantwortet worden. Damit war offenbar für das Pentagon das Maß voll.
Dabei ist der Anlass für die Aktion zweitrangig. Es geht darum, den türkischen Einfluss im Nordirak zurückzudrängen. Das mag auf den ersten Blick sinnvoll und plausibel erscheinen. Was geht es die Türkei an, ob die Kurden sich für unabhängig erklären oder nicht. Doch ihre amerikanischen Beschützer haben in der Vergangenheit schon oft genug unter Beweis gestellt, dass auch für sie die Kurden lediglich eine politische Manövriermasse sind.
Letztlich haben natürlich türkische Soldaten im Irak so wenig zu suchen wie amerikanische Truppen. Beide habe keine völkerrechtliche Legitimation für ihre Anwesenheit, bei beiden geht es darum, eigene politische Interessen zur Not mit Gewalt durchzusetzen. Die neue Qualität ist, dass das US-Militär – ob mit Rückendeckung über das Pentagon hinaus, weiß man noch nicht – dies nun auch gegen Verbündete gewaltsam durchsetzt. Das setzt vor allem innerhalb der Nato neue Maßstäbe.
JÜRGEN GOTTSCHLICH