DIE KRITIK AUS BRÜSSEL KOMMT DER BUNDESREGIERUNG GELEGEN : Beim Sparen hilft jede Autorität
Das hat der Bundesregierung gerade noch gefehlt – über den allgemeinen Spardruck hinaus auch noch von den Geldstrafen aus dem Defizitverfahren bedroht zu werden, wenn sie die Mindestziele nicht erreicht. Als die Konjunktur in Europa noch lief, war das Sparen, das die EU-Mitgliedsländer einander abverlangen, populär. Doch jetzt erinnert der Abschwung viele Menschen wieder daran, dass sie den Staat und sein soziales Netz vielleicht auch einmal brauchen. So ungelegen kommen die Mahner aus Brüssel der Bundesregierung daher gar nicht. Einerseits können sie das Kabinett dazu veranlassen, klarere Konzepte zur Schuldenbegrenzung zu entwerfen. Andererseits erlauben sie dem Kanzler und seinem Finanzminister, auf die EU zu zeigen und ihr die Verantwortung für Kürzungen zuzuschieben.
Die EU-Kommission ist verpflichtet, auf die Einhaltung der Stabilitätskriterien zu pochen. Sie sollten schleunigst um ein Mindestwirtschaftswachstum erweitert werden, um in Zeiten der Quasi-Rezession ein Überschreiten der Defizitgrenze zu erlauben. Hat sich die Wirtschaft erholt, muss die Kommission allerdings darauf drängen, dass gespart wird. Dazu gehört der Kohlenbergbau, den der Staat gegen jede wirtschaftliche Vernunft erhält, aber nötig sind auch eine neue Reform der Rentenversicherung, die ebenfalls vom Bundeshaushalt subventioniert wird, und ein neues Finanzierungsmodell für die Krankenkassen. Gerade hier ist es begrüßenswert, wenn die Kommission Druck ausübt, indem sie eine europäische Komponente in die Diskussion einführt – sonst gibt die Koalition doch immer wieder den Interessengruppen nach und versteckt sich hinter Expertenkommissionen mit fragwürdigem Erfolg.
Die Regierung macht derzeit vor, wie die Orientierung an der Wählermeinung ein schlüssiges Sparkonzept verhindert. Sie scheint die Autorität aus Brüssel zu brauchen, auch wenn sie begrenzt ist: Letztlich beschließen nicht die EU-Kommissare, sondern die Finanzminister der Mitgliedsländer über den Umfang der Bestrafung für Defizitverfahren. KATHARINA KOUFEN