DIE KIRCHE WILL FÜR VÖLKERMORD IN RUANDA NICHT VERANTWORTLICH SEIN : Hasse deinen Nächsten
Es hat fast neun Jahre gedauert, aber mit dem gestrigen Urteil gegen den ruandischen Adventistenpfarrer Elizaphan Ntakirutimana und seinen Sohn wegen Beteiligung am Völkermord wurde ein Tabu gebrochen. Erstmals sind Verantwortliche christlicher Kirchen strafrechtlich für den Genozid an schätzungsweise 800.000 Menschen mitverantwortlich gemacht worden. Vor drei Jahren noch war in Ruanda der Versuch gescheitert, den katholischen Bischof Augustin Misago wegen Völkermordes schuldig zu sprechen.
Ein großer Teil der Massaker in Ruanda 1994 fand in kirchlichen Einrichtungen statt – nicht nur in Kirchengebäuden, sondern auch in religiösen Schulen, Kliniken oder Seminaren in Afrikas katholischstem Land. Fliehende Tutsi retteten sich unter das Dach der Kirche – und wurden oft von ihren vermeintlichen Beschützern an die Mörder ausgeliefert. Manche Geistliche hatten Angst vor den Milizen – aber viele waren Überzeugungstäter, die der Propaganda von Tutsi als Untermenschen und Kakerlaken glaubten und den Völkermord als gesellschaftlichen Exorzismus begrüßten.
Die katholische Kirche hat sich dieser Schande nie als Institution gestellt. Der Papst ist der Auffassung, die Kirche sei nicht für Sünden ihrer Mitglieder verantwortlich. Als 2001 vier ruandische Nonnen in Belgien wegen Völkermordes verurteilt worden sind, erklärte sich der Vatikan „überrascht“. Zugleich machte der spanische katholische Afrika-Missionarsrundbrief Mundo Negro Ruandas Tutsi selbst für den Genozid verantwortlich. Im Prozess gegen Vater und Sohn Ntakirutimana gab es einen Schulterschluss: Katholische Priester traten als Zeugen der Verteidigung der Adventisten auf.
Nur in Ruanda, nicht aber international haben Kirchenführer inzwischen begriffen, dass sie für Versöhnung selbst etwas tun müssen. Wird das gestrige Urteil die überfällige Selbstkritik befördern? Es ist kaum damit zu rechnen. Aber wie ernst kann man Moralpredigten etwa gegen einen Irakkrieg von Geistlichen nehmen, deren Führern zu einem Völkermord nichts einfällt? DOMINIC JOHNSON