DIE HESSISCHEN CHRISTDEMOKRATEN ENTGLEISEN WIEDER MAL NACH RECHTS : Arnulf Baring, der letzte Aufrechte
Da kamen wieder einmal die Richtigen zusammen. Die hessische CDU, die unter den Landesverbänden der Union ohnehin den Ruf hat, eine Heimstatt für national gesinnte Rechtsausleger zu sein; und der Berliner Jurist Arnulf Baring, der einst an der Freien Universität Berlin eine Professur für Zeitgeschichte innehatte und sich deshalb für berufen hält, sich von Zeit zu Zeit von einem rechtskonservativen Publikum für arg verquaste Gedanken applaudieren zu lassen.
Vorige Woche schwadronierte er vor der Wiesbadener CDU-Fraktion davon, dass die Rede von der Einzigartigkeit der Judenvernichtung doch eine „Übertreibung“ sei, der Nationalsozialismus lediglich eine „beklagenswerte Entgleisung“ und sich Einwanderer hierzulande nicht zu integrieren, sondern „einzudeutschen“ hätten. Am Ende soll Fraktionschef Christean Wagner erklärt haben, Baring habe vielen der versammelten Christdemokraten aus dem Herzen gesprochen.
Jeder, der einmal einen Vortrag Barings erlebt hat, kann sich die Szenerie ungefähr ausmalen. Genau deshalb ist der Berliner Professor für ein bestimmtes rechtskonservatives Milieu so wertvoll: Er sagt, was man nach Ansicht seines Publikums hierzulande angeblich nicht sagen darf; er bezieht dafür anschließend just jene öffentliche Prügel, die seine treuen Zuhörer in dieser verzerrten Selbstwahrnehmung bestärkt; und er argumentiert so verworren, dass er sich am nächsten Tag wieder herausreden kann.
Als die hessische SPD-Chefin Andrea Ypsilanti den Vorgang gestern auf die Bühne des Wiesbadener Landtagsplenums hievte, bediente sie diesen Mechanismus perfekt. Etwas Besseres hätte dem CDU-Rechtsausleger Wagner gar nicht passieren können. Er nutzte diese rechtschaffene Vorlage der Opposition, um ihr ein „ungeklärtes Verhältnis zum Vaterland“ zu bescheinigen – woraufhin sich der Landtag prompt einstimmig zu einem „modernen und weltoffenen Patriotismus“ bekannte. So viel der vaterländischen Ehre ist dem emeritierten Provokateur Baring bislang nicht zuteil geworden.
RALPH BOLLMANN