DIE GESELLSCHAFTSKRITIK : Wir sind wieder wer
WAS SAGT UNS DAS? Seit Deutschland weiß, dass Sigmar Gabriel am Mittwoch sein Kind von der Kita abholt, kennt die ganze Welt Sigmar Gabriel
Geht doch: Deutschland kann auch vom Bett aus regiert werden. Und für Termine wie den Besuch der Sternsinger beißt die Kanzlerin eben die Zähne zusammen: Wer wollte ausgerechnet Kinder enttäuschen?
Fast wirkt es, als hätte Angela Merkel im großkoalitionären Kleinkrieg um mediale Aufmerksamkeit ihrem Vizekanzler Sigmar Gabriel von der SPD einen Strich durch die Rechnung machen wollen. Dessen Ankündigung nämlich, in Zukunft mittwochs seine Tochter aus der Kita abzuholen, statt zu politisieren, hat die Runde um den Erdball gemacht. Seit Vati mittwochs Marie gehört, weiß die Welt, dass es Gabriel gibt. Und umgekehrt gilt: Ein Urlaubsunfall von H. Schmidt oder H. Kohl hätte in Europa nie die Resonanz gefunden wie das Malheur der eisernen EU-Kanzlerin.
Deutschland ist wieder wer, und wer was ist, kann sich was leisten – sogar ein paar Stunden mit dem Kind. Auch der Führer stand weiland gern erst mittags auf, hielt wenig von Kabinettstreffen, und auf die Schwatzbude konnte er gleich ganz verzichten.
Vielleicht sehen wir die Angelegenheit von unser Großkita in der Dutschke-Straße aus aber auch zu locker. Bei uns gehen Kinder vor – für wen sonst retten wir täglich die Welt? Details regelt der Arbeitsvertrag beziehungsweise der gute alte männliche Satz: Es ist mir scheißegal, ob es gerade passt. Ich gehe jetzt zu meinem Kind. AMBROS WAIBEL