DIE GESELLSCHAFTSKRITIK : Alte Dame, frisch onduliert
Was sagt uns das? Der Medienkonzern Bertelsmann wünscht sich zum Geburtstag keine Berichterstatter
Für Bertelsmann, Europas größten Medienkonzern, ist 175 natürlich kein Alter. Dennoch ziert sich die alte Dame. Ob am Donnerstag beim Festakt auch andere Medien willkommen sind, ist unklar. Draußen, am roten Teppich vor dem Konzerthaus am Gendarmenmarkt in Berlin, sind sie natürlich gern gesehen.
Drinnen, so ist jedenfalls der aktuelle Stand beim Schreiben dieser Zeilen, sei „schreibende Presse aber nicht vorgesehen“, heißt es aus der Bertelsmann-Pressestelle. Nur Chefredakteure. Dabei fährt der Konzern mächtig auf, die Kanzlerin soll kommen, und die taz kann auch schon Details nennen: Das Programm verheißt, es geht immerhin um große Oper, „Ouvertüre, Retrospektive, Bertelsmann heute, Zukunftsgeschichte, Finale“.
Wer hierin eine Jubelwerbeschmusveranstaltung sieht, liegt richtig. Unter „Zukunftsgeschichte“, die sich der Konzern zum Jubiläum auf die Fahnen geschrieben hat, verstehen sie aber durchaus Vielseitiges, wie folgende Zeilen aus dem stets gut über Bertelsmann-Interna unterrichteten Westfalenblatt belegen: „1200 Frisöre aus dem In- und Ausland haben gestern (…) am ersten Zukunftskongress des Bielefelder Kosmetikherstellers Dr. Wolff (Alcina) teilgenommen. Die Chefs von Bertelsmann und Oetker sowie Zukunftsforscher Matthias Horx schilderten ihre Visionen der kommenden Jahrzehnte.“
Da waren selbst wir baff! Das der Konzern die Republik irgendwie mitregieren möchte, ist klar. Aber jetzt auch das Frisörhandwerk? Oder wollten die hohen Bertelsmannschaften von Vorstandschef Hartmut Ostrowski bis Liz Mohn am Ende nur einmal frei Waschen und Legen abstauben, damit sie vor Donnerstag nicht noch mal zum Frisör müssen?! STEFFEN GRIMBERG