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Archiv-Artikel

DIE GESELLSCHAFTSKRITIK Mein Browser ist homophob

WAS SAGT UNS DAS? Der Chef von Mozilla mag eher keine Homo-Ehen. Jetzt ruft das erste große Webportal deswegen zum Firefox-Boykott auf

Er war der Browser der Guten. Der Browser für alle, die sicher durchs Internet surfen wollten. Empfohlen von Bundesämtern, geliebt von Computerexperten. Doch das Image von Firefox bekommt plötzlich Kratzer.

Vor einer Woche wurde bekannt, dass Brendan Eich neuer Chef von Mozilla werden soll, der Firma hinter Firefox. Er gilt als Erfinder der Programmiersprache JavaScript, war Mitgründer von Mozilla, zuletzt Cheftechniker. Der ideale neue Geschäftsführer (CEO) also. Doch die Euphorie hielt nur einen Tag. Denn Eich spendete vor sechs Jahren 1.000 US-Dollar an Gegner der Gleichstellung homosexueller Paare. In Kalifornien wollten die Unterstützer der „Proposition 8“ damals in der Verfassung verankern, dass nur noch heterosexuelle Ehen staatlich anerkannt werden. Der Volksentscheid war erfolgreich, wurde später aber von Gerichten kassiert.

Diese Spende wurde dem neuen Mozilla-Chef zum Verhängnis. Gleichstellungsaktivisten kramten sie nur einen Tag nach seiner Berufung hervor. Web-Entwickler riefen zum Boykott auf, Mozilla-Mitarbeiter forderten öffentlich den Rücktritt ihres Chefs. In einem Blogpost entschuldigte sich Eich indirekt für die Spende.

Dessen ungeachtet hat sich am Montag eine prominente US-Webseite den Boykott-Aufrufen angeschlossen. Mozilla-User, die die Datingseite OkCupid aufrufen, sehen seitdem statt der Startseite folgenden Aufruf: „Hey Mozilla Firefox User, entschuldige die Unterbrechung. Mozillas neuer CEO, Brendan Eich, ist ein Gegner der Gleichstellung homosexueller Paare. Wir würden es daher befürworten, wenn unsere User nicht Mozilla nutzten.“

Politik sei eigentlich nicht Thema einer Webseite, schreiben die Macher weiter. Doch OkCupid habe in den vergangenen zehn Jahren alles dafür getan, Menschen zusammenzubringen. „Wenn Individuen wie Mr. Eich ihren Willen bekämen, wären acht Prozent der Beziehungen, die wir gestiftet haben, illegal“, schreiben sie zur Begründung. User können zwar mit Firefox auch auf OkCupid weiter surfen, die Datingseite aber präsentiert genüsslich Alternativen wie Google Chrome, Internet Explorer, Opera und Safari.

Ein Sprecher von Mozilla erklärte gegenüber Techcrunch: „Mozilla unterstützt Gleichheit für alle, inklusive bei der Eheschließung von LGBT-Paaren. Egal, wer du bist oder wen du liebst, jeder sollte die gleichen Rechte haben und gleich behandelt werden.“

Eich musste aufgrund des Drucks schnell zu Kreuze kriechen. OkCupid nutzt die vermeintliche Homophobie des neuen CEO dennoch. Für eine wichtige Botschaft. Aber auch zu Marketingzwecken. PAUL WRUSCH