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Archiv-Artikel

DIE GESELLSCHAFTSKRITIK Vögeln und beschützen

WAS SAGT UNS DAS? „Tatort“-Ermittlerin Lindholm bekommt einen neuen Freund, der ihr Leiden als Alleinerziehende beendet

Von DENK

Jetzt heißt es stark sein, ihr linken Romantiker: Platonische Liebe zwischen Mann und Frau funktioniert einfach nicht – zumindest nicht in der Sonntagabendunterhaltung. Irgendwann sind die Gefühle nicht mehr beherrschbar, wird die Freundschaft für einen der beiden Beteiligten zunehmend zur Belastung. Dann gibt es zwei Möglichkeiten: seine Liebe zu gestehen und darauf zu hoffen, endlich erhört zu werden. Oder zu gehen, weil das alles ja eh keinen Sinn mehr hat.

Vor dieser Entscheidung stand Martin Felser (Ingo Naujoks), der Mitbewohner oder besser: Haussklave von „Tatort“-Kommissarin Charlotte Lindholm (Maria Furtwängler). Er ist gegangen. Genau wie Darsteller Naujoks wurde Felser seiner Rolle als „Frühstücksdirektor und Babysitter“ überdrüssig.

Jetzt hat Lindholm einen Neuen – und zwar auch einen fürs Bett: Nachdem sie in dem Ende Oktober ausgestrahlten Niedersachsen-„Tatort“ „Der letzte Patient“ noch mit ihrem Verlust haderte, soll schon im nächsten Film im Frühjahr Jan in ihr Leben treten, gespielt von Benjamin Sadler („Contergan“). Das berichtet jedenfalls die in Herzensangelegenheiten für gewöhnlich gut unterrichtete Bild-Zeitung.

Männliche Ermittler dürfen in Deutschlands ältester Krimireihe einsame Wölfe sein, müssen es nach Ansicht mancher „Tatort“-Redakteure sogar, aber eine alleinerziehende Mutter braucht offenbar noch immer einen Beschützer – besonders zeitgemäß ist dieses Geschlechterbild nicht. Dabei bildet sich der „Tatort“ etwas darauf ein, am Puls der Zeit zu sein, gesellschaftliche Entwicklungen aufzugreifen, aber dass man auch glücklich alleinerziehend sein kann, hat sich noch nicht bis in den Lindholm-Sender NDR rumgesprochen.

Damit liegt der NDR auf einer Linie mit Bild: „Endlich wieder ein richtiger Kerl für die Lindholm“, frohlockt das Lendenzentralorgan. Schade eigentlich, dass der NDR den Kollegen nicht auch noch den Gefallen getan hat, diesen Jan wesentlich jünger anzulegen als Lindholm – cougars sind ja gerade groß in Mode. Aber das wäre wohl schlicht zu progressiv gewesen für den NDR. Sadler und Furtwängler trennen keine fünf Jahre – so soll es sein.

Ebenso wenig mehrheitsfähig wäre wohl die Normabweichung in die andere Richtung gewesen. Insofern ist Furtwängler dem „Tatort“ durch ihre Ehe mit dem 26 Jahre älteren Verleger Hubert Burda um Jahre voraus. DENK