DIE FDP SETZT AUF STEUERSENKUNGEN – ABER NUR VOR DER WAHL : Die liberale Null-Punkte-Partei
Jede Partei hat das Recht, Dinge zu fordern, die sie in Regierungsverantwortung nie umsetzen wird. Das gilt auch für die FDP. Die in den Umfragen künftig kleinste Partei im Bundestag kräht laut gegen die von der Union geplante Mehrwertsteuererhöhung an – und will eine schwarz-gelbe Koalition dennoch nicht daran scheitern lassen. Das muss man verstehen: Keine Koalition ohne Kompromiss. Die Union wird von ihrem zentralen Programmpunkt, höhere Mehrwertsteuer gegen einen niedrigeren Beitragssatz zur Arbeitslosenversicherung, natürlich nicht heruntergehen.
Trotzdem löst der rhetorische Spagat der Liberalen zwischen klarem Bekenntnis gegen Steuererhöhungen und klarem Bekenntnis zu Schwarz-Gelb eine gewisse gereizte Müdigkeit aus. Auch andere Parteien haben zwar Widersprüche – aber immerhin noch andere Inhalte, mit denen sie für logische Brüche entschädigen können. Nur die FDP ist eine reine Steuersenkungspartei, woran alle wieder oder neu proklamierten Ansprüche auf Bürgerrechte und die „Kulturnation Deutschland“ nichts ändern können. Im Gegenteil: Vor dem Hintergrund der schwammigen Ausführungen etwa zur neu zu erringenden Bundeskulturhoheit ist erst richtig zu erkennen, wie viel mehr Mühe sich die Liberalen damit machen, Bürgerfreiheit als Steuerfreiheit zu deklinieren.
Eine Ein-Punkt-Partei aber, von der wir schon vor der Wahl wissen, dass sie diesen einen Punkt nach der Wahl verraten wird, muss sich auf reine Ideologieproduktion beschränken. Sie wettert gegen die Ökosteuer – und gesteht zugleich, dass sie auf deren Milliarden nicht verzichten kann. Sie findet tausend Metaphern für den gierigen Staat, der dem Bürger das Geld aus der Tasche zieht – und weiß doch, dass die rot-grüne Finanzpolitik das Regieren schon fast unmöglich gemacht hat.
Vor der Wahl 2002 hat es die FDP nicht rechtzeitig aus den 18-Prozent-Spaßpuschen herausgeschafft. Dieses Jahr wird es die FDP nicht rechtzeitig aus der Anti-Steuer-Rhetorik-Mühle herausschaffen. Die Union bangt um ihren Lieblingskoalitionspartner zu Recht. ULRIKE WINKELMANN