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Archiv-Artikel

DIE EU VERWIRRT DIE CHINESEN. SIE VERSTEHEN DIE STAATENGEMEINSCHAFT NICHT – DANK FREUNDLICHER MITHILFE EUROPÄISCHER BEHÖRDEN Catherine wer?

Chinesen bereisen zehn Länder in 14 Tagen. Wo ist die EU?

FELIX LEE

Mit Deutschland verbinden Chinesen Goethe, Beethoven und teure Autos. Mit Frankreich Käse, Champagner und den Eiffelturm. Und mit Italien Pizza und Gucci. Doch wenn ich hier in Peking Chinesen nach Europa frage, fällt den meisten spontan nur wenig dazu ein. Immerhin: In ihren Reiseprogrammen betrachten sie Europa als vereinigten Kontinent.

Neulich bin ich bei einer Kollegin zu Besuch gewesen, die mir stolz die Bilder ihrer Europa-Reise vor zwei Jahren zeigte. Sie hatte an der unter Chinesen nach wie vor sehr beliebten Rundtour teilgenommen: zehn Länder in 14 Tagen. Damit sie nicht vergaß, was sich wo befindet, klebte sie ihre Fotos chronologisch und nach Ländern sortiert in ein Album. Die Bilder vom Kölner Dom ordnete sie korrekterweise Deutschland zu, die Fotos von Schloss Schönbrunn zu Österreich. Im Parlamentsgebäude der EU in Straßburg vermutete sie allerdings die Französische Nationalversammlung.

Das ist mit deutschen Touristen in China oft umgekehrt. Viele erinnern sich nach ihrer China-Rundreise nicht mehr, ob sie die 500 Jahre alte Pagode aus der Ming-Zeit in Nanjing oder Hangzhou gesehen haben. Und dass es sich beim letzten Kaiserhaus in Peking gar nicht um eine chinesische Familie handelte, sondern um eine Mandschu-Dynastie, ist ebenfalls nicht jedem China-Urlauber bewusst.

Während das Problem der Deutschen oft darin besteht, dass sie bei China von einem homogenen Kulturkreis ausgehen, obwohl sich die einzelnen Landesteile zum Teil ganz erheblich unterscheiden, ist es bei Chinesen mit der EU häufig umgekehrt. Sie wissen um die einzelnen Länder. Aber wenn es um die europäische Staatengemeinschaft als Ganzes geht, sind sie verwirrt. Dazu tragen die europäischen Behörden nicht zuletzt selbst bei.

Etwa bei der Visavergabe: Nach dem Schengen-Abkommen herrschen bei sämtlichen EU-Ländern mit Ausnahme Großbritanniens und Irlands einheitliche Vergabekriterien. Hat der chinesische Tourist erst mal ein deutsches Visum, darf er damit automatisch fast 40 weitere Länder bereisen.

So sieht es in der Theorie aus. In der Praxis aber erhält der Chinese ein Visum beim französischem Konsular sehr viel schneller als bei den deutschen Behörden. Dort muss er schon mal drei oder vier Wochen warten. Die Franzosen erledigen das in 48 Stunden. Die Deutschen wollen vom chinesischen Antragsteller zudem Auskunft über die familiäre Bindung, Einkommens- und Vermögensverhältnisse sogar über den Wert der Eigentumswohnung und verlangen entsprechende Nachweise. So penibel sind Franzosen nicht. Die Deutschen wollen eben sichergehen, dass es den Chinesen auch ja wieder nach Hause drängt.

Doch auch politisch verwirrt die EU die Chinesen. Während im Streit um angeblich zu billige Solarpanels aus Fernost der EU-Handelskommissar vergangenes Jahr Sanktionen gegen chinesische Firmen verhängte, erlaubten die einzelnen Mitgliedsländern den Chinesen zahlreiche Schlupflöcher. Kein Wunder, dass chinesische Politiker die Deutsche Botschaft in Peking ständig aufsuchen, während direkt daneben die EU-Botschaft zu verwaisen droht.

Aber nicht nur Chinesen lassen die EU links liegen. Das geht auch anders herum. Neulich unterhielt ich mich mit einem hochrangigen deutschen Diplomaten über die EU-Außenpolitik in China. Als ich ihn auf den jüngsten Besuch der EU-Außenkommissarin Catherine Ashton in Peking ansprach, fragte er: „Catherine wer?“